Der Wald des Vergessens
bewußt so nebenbei. Das Fahrrad war etwas rätselhaft. Wendy Walker hatte Ellie gegenüber gesagt, sie würde mit dem Bus zur Party kommen und würde gern nach Hause gebracht werden. Wenn sie tatsächlich mit dem Bus gekommen war, hätte Cap zu ihrer Bude fahren müssen, um das Fahrrad zu holen. Man hatte dort schon herumgefragt und die Antworten bekommen, die von Leuten zu erwarten waren, deren Vertrauen in die Polizei ihrem Vertrauen in Politiker entsprach. Der Fahrer des Busses, dessen Ankunft Caps Aufbruch von der Party zeitlich am nächsten lag, glaubte sich an einen Fahrgast zu erinnern, auf den Wendys Beschreibung paßte, doch weiteres Nachfragen förderte sein Vorurteil zutage, alle Studentinnen trügen Jeans, Regenjacken und Turnschuhe, und die meisten seien mager, blaß und unterernährt, so daß seine Aussage sie nicht weiterbrachte.
Dalziel beobachtete Cap aufmerksam, weil er sehen wollte, ob sie auf seine Vermutung reagierte, Wendy sei mit dem Fahrrad zur Party gekommen. Sie tat es nicht.
Sie sagte: »Nachdem ich sie ins Auto gelockt und festgestellt habe, daß sie mein schlimmes Geheimnis kennt, soll ich sie bewußtlos geschlagen haben, dann zur Ludd Lane hinausgefahren sein, dort einen Unfall inszeniert und sie in einem Graben liegenlassen haben, damit sie ertrinkt?«
Ertrinkt. Sie hat ertrinkt gesagt und nicht stirbt. Hatte er mit ihr über die Strömung in dem Graben gesprochen und wie die Regenjacke einen Damm gebildet hatte, der Wendy vor dem Ertrinken bewahrt hatte? Möglich war’s. Es hatte keinen Grund gegeben, ihr das vorzuenthalten. Damals hatte er ihr noch vollkommen vertraut. Ihm fiel wieder eine von Wallys weisen Maximen ein.
Trau keiner Sau außer deiner Mutter. Und der erst, wenn du ihr Führungszeugnis eingesehen hast.
Er sagte: »Wenn du das nicht getan hast, was hast du dann getan?«
»Was ich dir gesagt habe natürlich. Ich bin geradewegs nach Hause gefahren, habe mir einen Drink eingeschenkt und mich im Fernsehen bewundert.«
»Zeugen? Du hast nicht vielleicht auf dem Weg nach Hause getankt? Oder bist los, um eine Flasche von dem mexikanischen Bier zu kaufen oder eine Tüte Chips?«
Hier bot er ihr die Chance, sein geheimes As zu übertrumpfen, noch bevor er es gespielt hatte, eine Erklärung zu liefern, warum er sie zehn Minuten nach der Sendung gesehen hatte – derentwegen sie angeblich die Party verlassen hatte –, wie sie aus ihrer Garage kam und in ihre Wohnung ging, die völlig im Dunklen lag.
»Nein, Andy. Ich bin geradewegs nach Hause gegangen, habe mich vor den Fernseher gesetzt, und das war’s.« Sie sprach mit einer Leidenschaft, die ihn fast überzeugt hätte, wenn er nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, daß sie log.
Etwas in ihm wollte sie gleich damit konfrontieren, aber das war nicht der Polizist in ihm, und wenn dieses Etwas auch noch nicht gänzlich jegliches Stimmrecht verloren hatte, so war es doch schon länger, als er denken konnte, in der Minderheit.
Nein, dergleichen hob man sich auf für den Fall, daß man vor Gericht aussagen mußte, oder man fragte sie erst, wenn man sie im Vernehmungsraum hatte und das Tonband mitlief.
Es klingelte zweimal an der Tür.
Er sagte: »Das wird für mich sein. Wir brauchen die Schlüssel zu deiner Garage und zu deinem Auto.«
Sie sah ihn traurig an und sagte: »Ach, Andy. Ist das nicht die Stelle, an der du sagen müßtest, daß du nur Befehle ausführst?«
»Nein, mein Mädel«, sagte er und hielt ihr seine riesige Hand hin. »Ich gebe sie. Und jetzt gib mir mal die Schlüssel.«
Neun
B evor Sie das Ding da anstellen – hatten wir nicht eine Abmachung getroffen?« sagte Jimmy Howard.
»Das war, bevor wir das hier gefunden haben«, sagte Wield und hielt den Plastikbeutel hoch, der den Umschlag aus Howards Auto enthielt. »Drück auf den Schalter, Shirley.«
Detective Constable Shirley Novello stellte das Aufnahmegerät an, und Wield betete die Litanei von Datum, Zeit und Anwesenden herunter.
»Erkennen Sie diesen Umschlag, Jimmy?«, fragte Wield.
»Na ja, ich kann sehen, daß es ein Umschlag ist, aber alle Umschlägen sehen gleich aus, oder?«
»Sehen Sie ihn sich genauer an«, sagte Wield.
»Nein, löst keine Erinnerung aus.«
»Wir haben ihn in Ihrem Auto gefunden, Jimmy.«
»Hat nichts mit mir zu tun. Wo wurde er gefunden?«
»Unter der Gummimatte am Fahrersitz.«
»Na bitte, der könnte da schon liegen, seit ich die Karre gekauft habe.«
»Putzen Sie sie denn nicht ordentlich jeden
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