Der Wald des Vergessens
Schlag versetzt zu haben. Er habe ihn davon abhalten wollen, sich von den Maschinengewehren des Bunkers töten zu lassen. Nachdem er den Leutnant abgeliefert hatte, sei es seine Absicht gewesen, nach einer kurzen Pause wieder nach vorn zu gehen, um mit dem Befehlsstand des Bataillons Kontakt aufzunehmen und weitere Befehle entgegenzunehmen. Der Vorsitzende fragte ihn, warum er zum Rest seines Zugs gesagt habe, der Leutnant habe den Befehl zum Rückzug weitergegeben. Pascoe erwiderte, er habe den Befehl selbst erteilt, weil er nicht wollte, daß die Männer in einem schlechten Licht erschienen, wenn sie später ihre Handlungen erklären mußten. Indem er vorgab, daß es der Befehl des Befehlsstands gewesen sei, habe sie kein Verschulden getroffen. Der Vorsitzende vermerkte, daß der Feldwebel offenkundig wußte, daß er ein Unrecht beging. Er fragte ihn, warum er nicht versucht habe, Verbindung zu den Bataillonsoffizieren der rechten oder linken Flanke aufzunehmen, nachdem Grindal durch die Explosion außer Gefecht gesetzt war. Der Feldwebel erwiderte, er habe nicht gewußt, wer noch lebte, und nach dem, was er in seinem Abschnitt gesehen hatte, sei es nicht wahrscheinlich gewesen, daß es viele waren. Vorsitzender: Ob das eine Kritik an der Taktik des Vorstoßes sei. Feldwebel: Es sei Kritik an dem ganzen verdammten Feldzug. Zurechtweisung wegen Fluchens. Vorsitzender: Sie sind sich darüber im klaren, daß der Angriff auf Polygon Wood ein Erfolg war und daß er am Ende fest in den Händen der Kameraden war, denen Sie den Rücken gekehrt hatten? Der Feldwebel erwiderte: Aber es war kein Wald mehr. Er würde sich verdammt noch mal wünschen, man würde damit aufhören, die Dinge mit Namen zu bezeichnen, die nicht länger zutreffen. Ein Wald bestehe aus Bäumen und Unterholz, habe lauschige grüne Plätzchen, Singvögel, bemooste Pfade und vielleicht spielende Kaninchen und Rehe. Die sogenannten Wälder, in denen er in den vergangenen Wochen tapfere Männer habe sterben sehen, bestünden aus nichts weiter als in die Luft gejagten Strünken, die aus dem aufgewühlten Boden aufragten, und der einzige sichere Halt seien die Knochen der Toten, und wenn man auf jeden einzelnen Baumstrunk ein Querbrett nageln würde, um damit ein Grab zu kennzeichnen, wären noch immer nicht genug da für all die Männer, die gefallen waren, um die Strünke zu erobern oder zu verteidigen. Kein einziger sei die vielen Toten wert, keiner dieser sogenannten Scheißwälder, auch wenn man sich daheim einbildete, daß die Kavallerie unter Eichen und Buchen trabte. Die Namen seien ein Betrug. Jeder kämpfende Soldat in der Armee, und dieses Gericht mit eingeschlossen, wisse, daß die Einnahme von Polygon Wood und der anderen erbärmlichen vier oder fünf Kilometer höllischen Schlamms, die in den letzten paar Wochen erobert worden seien, das Ende des Kriegs um keinen Tag nähergebracht hätte. Wenn die Führer beider Seiten danach noch immer nicht sahen, daß die ganze Sache vergeblich war, was würde sie dann davon abhalten, so lange zu kämpfen, bis sie keine Männer mehr hatten, die sie in den Kampf schicken konnten?
(Der Vorsitzende scheint sich wörtliche Aufzeichnungen gemacht zu haben. Muß wie ein Wahnsinniger mitgeschrieben haben. Vielleicht hatte er das Gefühl, daß die persönliche Stellungnahme des Gefangenen eine nähere Betrachtung verdiente. Der einzige Kommentar am Ende lautete: Zurechnungsfähig? War natürlich kein Thema. Catch-22 gilt immer. Arthur Grindals Brief hatte den Ausschlag hinsichtlich des Urteils gegeben, Pascoes Ausbruch beseitigte wahrscheinlich die letzte Hoffnung auf eine Empfehlung, Gnade walten zu lassen.)
Das war das Ende der Verteidigung. Es wurden keine Zeugen vernommen, möglicherweise waren alle von der Anklage aufgerufen worden.
6. Urteil: schuldig, Todesurteil, keine Empfehlung, den Verurteilten zu begnadigen.
7. Der befehlshabende Offizier schreibt, der Feldwebel habe viele gute soldatische Eigenschaften gezeigt, doch in letzter Zeit habe es Anzeichen dafür gegeben, daß er im Mittelpunkt einer Entfremdung stehe, die auf dem Gedanken beruhe, daß Arbeiter mit pazifistischen Neigungen beider Seiten sich vereinigen sollten, um den weiteren Kampf zu verweigern. Leutnant Grindal hatte versichert, er kenne den Feldwebel persönlich und sei sicher, ihn auf dem rechten Weg zu halten. Der befehlshabende Offizier habe das Gefühl, daß der Leutnant persönlich verraten worden sei, und deshalb müsse
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