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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Road?«
    »Ja«, lautete die Antwort.
    »Ich suche die Kaserne der West Yorkshire Fusiliers.«
    »Die haben Sie verpaßt.«
    »O Gott! Wollen Sie damit sagen, daß sie irgendwo da hinten ist?« sagte Pascoe und betrachtete unglücklich die Einbahnstraße, die er gerade mit so viel Mühe bewältigt hatte.
    »Nein, Sie haben sie um mehr als zehn Jahre verpaßt. Die Wyfies sind vor Ewigkeiten mit den South Yorks Rifles zusammengelegt worden. Sie sind in deren Kaserne in Sheffield umgezogen. Heißen jetzt Yorkshire Fusiliers. Das Kriegsministerium hat das Gelände als Bauplatz verkauft.«
    »Mist« , sagte Pascoe.
    Adas Wünsche waren zwar merkwürdig, aber sehr präzise.
Mein Testamentsvollstrecker soll meine Asche auf dem Gelände des Hauptquartiers der West Yorkshire Fusiliers in Kirkton Road, Leeds, verstreuen.
    Da Peter Pascoe ihre Gefühle für die Armee nur allzugut kannte, zweifelte er keinen Moment daran, daß sie damit ihre Verachtung zum Ausdruck bringen wollte. Sie hätte wahrscheinlich am liebsten die Anweisung gegeben, die Urne durch ein Fenster zu schleudern, wird aber wohl gewußt haben, daß Mäßigung angesagt war, wenn sie darauf hoffen wollte, daß ihre Geste überhaupt ausgeführt würde. Aber bei aller Mäßigung, er konnte seine Oma doch nicht auf einem Parkplatz verstreuen!
    »Es ist aber noch ein Museum da«, sagte der Mann, glücklich, seine langweilige Arbeit noch länger unterbrechen zu können.
    »Wo?« fragte Peter hoffnungsvoll.
    »Da drüben.«
    Der Mann deutete auf ein hohes, schmales Granitgebäude, das am anderen Ende des Parkplatzes emporragte und mit militärischer Verachtung auf den leichtfertigen Supermarkt im skandinavischen Skihüttenstil starrte.
    »Danke«, sagte Pascoe.
    Er fuhr zum Museum und parkte vor dem Gebäude. Aus der Nähe sah es so aus, als sei es geschniegelt und gestriegelt und bereit zur Inspektion. Peter Pascoe holte die Urne aus dem Kofferraum, schlurfte mit den Füßen über den Asphalt, um sicherzugehen, daß an seinen Sohlen kein Schmutz haftete, und stieg die Stufen hinauf.
    Auf dem Türsturz war ein Mahagonischild mit einem Wappen angebracht, auf dem eine weiße Rose unter einer Lilie zu sehen war, darunter stand
WEST YORKSHIRE FUSILIERS Regimentsmuseum.
Die Farbe war frisch und leuchtete, der Messingknopf der Tür glänzte wie das Auge eines Oberfeldwebels, und der Briefkastenschlitz strahlte eine militärische Schärfe aus, die wahrscheinlich jeden pazifistischen Postboten in Angst und Schrecken versetzte.
    Peter Pascoe drehte den Knauf, überzeugte sich, daß er keine Fingerabdrücke hinterlassen hatte, und trat ein.
    Er befand sich in einem großen, hohen Raum, der von Vitrinen gesäumt und mit zerfetzten Fahnen dekoriert war. Er war hell erleuchtet und makellos sauber. Das konnte jedoch nicht verhindern, daß die Luft muffig roch, nach gramvollen Dingen, alt und fern und Kriegen von vorlang … [10]
    Rasch durchquerte Peter Pascoe eine Reihe weiterer Räume, ohne auf Überlebende zu stoßen. Er versuchte sogar, akustisch auf sich aufmerksam zu machen, die Resonanz blieb jedoch aus.
    Um so besser! dachte er. Ohne Zeugen müßte es eigentlich einfacher gehen. Er brauchte die Asche seiner Oma nur zu verteilen und dann zu enteilen! Aber irgendwie war der Gedanke, auch ohne Zeugen, diese makellosen Böden mit der pulverisierten Ada zu beschmutzen, für einen Ordnungsfanatiker schwer erträglich. Asche zu Asche, Staub zu Staub … aber man brauchte erst einmal alten Staub, um neuen hinzufügen zu können!
    Er versuchte es mit einer Prise, die er in der dunkelsten Ecke, die er finden konnte, deponierte, aber selbst sie fiel auf wie ein Cola-Schmier auf dem Damenbart einer Nonne. Schließlich entschied er sich für den Kamin. Selbst der sah zwar danach aus, als wäre er seit hundert Jahren nicht von Kohle belästigt worden, und das ihn flankierende viktorianische Kaminbesteck stand so ordentlich und glänzend da wie Waffen in einer Rüstkammer. Doch es mußte eine Zeit gegeben haben, wo der Kamin mit Asche in Berührung gekommen war. Und was war dieses philopolemische [11] Gebäude schließlich anderes als ein Mausoleum, das eines Leichnams bedurfte?
    Nachdem er sein Gewissen solchermaßen beruhigt hatte, schraubte Peter Pascoe den Deckel seiner Urne ab, nahm eine Handvoll Staub heraus und warf sie mit einem atavistischen Gebet in den Kamin.
    »Was zum Teufel treiben Sie denn da?« ertönte eine empörte Stimme.
    Pascoe wandte den Kopf und sah zu einem

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