Der Wald des Vergessens
großen, grauhaarigen Mann empor, der aufgebracht auf ihn hinuntersah. Er trug eine Augenklappe wie ein Pirat und eine rauhe Tweedjacke, deren linker leerer Ärmel quer über der Brust festgesteckt war.
Nun blieb ihm nur noch, entwaffnend zu lächeln, dachte Peter Pascoe, besonders da die noch vorhandene Hand des Mannes ihm in aller Ruhe etwas an den Kopf hielt, das wie eine Steinschloßpistole aussah.
»Sie werden Ihre Mühe haben, es mir zu glauben, und ich kann nur hoffen, daß Sie es versuchen.«
Acht
T roll Longbottoms Vorhersage traf ein, daran war nicht zu rütteln. Die Knochen würden sich eine ganze Weile Zeit lassen, bis sie wieder alle beisammen waren.
Die triefende Dunkelheit, die die Polizei schließlich bewogen hatte, die Suche abzubrechen, war am folgenden Morgen von unbeständigem Sonnenschein abgelöst worden, doch die Arbeit wurde durch die Tatsache, daß man nun etwas sah, nur unerheblich attraktiver.
»Da unten könnte man leicht einen Mann verlieren«, sagte Wield mit einem Blick auf den wassergefüllten Krater.
»Mir fallen ein paar ein, die uns nicht fehlen würden«, sagte Dalziel. »Wir könnten abpumpen, aber selbst dann wird der Schlamm ein Problem bleiben.«
»Die Jungs haben gestern abend etwas von jeder Menge Granitblöcke gesagt«, erwiderte Wield. »Die müßten uns einen gewissen Halt bieten. Aber Sie haben recht. Bei dem vielen Schlamm könnten wir mehr Zeit damit verbringen, uns gegenseitig auszugraben als alte Knochen.«
»Da kann ich dir nur zustimmen«, sagte Dalziel. »Gütiger Himmel, hast du einen Zwilling?«
Das galt Troll Longbottom, der sich behutsam auf den Laufbrettern näherte.
»Ich wollte nur mal nachsehen, ob ihr schon wieder etwas für mich habt«, sagte der Pathologe mit einem Lächeln, das am Mast eines Piratenschiffs nicht fehl am Platz gewesen wäre.
»Ach ja?« sagte Dalziel. »Wenn man dich gebeten hätte, einen Blick auf den verdammten Julius Cäsar zu werfen, hättest du gesagt, man solle warten, bis die Videokamera erfunden ist. Wie kommt es also, daß ich dich zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Stunden an der frischen Luft und bis an die Fesseln in Schlamm antreffe?«
»Freundschaft, Andy. Freundschaft.«
»Vielen Dank, Troll. Mir war gar nicht klar, daß ich dir so am Herzen liege.«
»Doch nicht du«, sagte der Pathologe mit einer Grimasse, die sich kaum von seinem Lächeln unterschied. »David Batty.«
»Was soll denn das bedeuten? Bumst du seine Frau oder so?«
»Oder so, Andy. Also, gibt’s was Neues für mich?«
»Nun gib uns aber mal ’ne Chance! Hast du denn gestern abend nicht schon ’ne ganze Menge gekriegt? Ich hab immer geglaubt, daß du nur einen Fingernagel und eine Prise Nabelfussel brauchst, und schon weißt du über die ganze Lebensgeschichte Bescheid.«
»Du schmeichelst mir«, sagte Longbottom. »Aber ich brauche noch ein winziges bißchen mehr, um meine vorläufige Datierung zu erhärten.«
»Du hast ein Datum? Warum bist du denn damit nicht gleich rausgerückt? Komm, laß hören.«
»Ich würde sagen, nach dem, was ich bisher gesehen habe, sind die Reste mit Sicherheit älter als fünf Jahre.«
»Älter als fünf?« sprach Dalziel ihm angewidert nach. »Und das ist alles? Ich hab Jungs, die haben gerade mal ihre Ausbildung abgeschlossen, aber das hätten die auch herausgefunden!«
»Es waren ja schließlich in der Hauptsache lose Teile, nicht wahr? Was ich eigentlich bräuchte, ist ein Kieferknochen. Zahnreparaturen sind sehr aussagekräftig. Und ein Stück Fleisch wäre geradezu ein Geschenk des Himmels.«
Er sprach mit solcher Begeisterung, daß Dalziel lachen mußte.
»Soll ich dir mal was sagen, Troll, wenn ich du wäre, würde ich Vegetarier.«
»Und du mich auch«, sagte der Pathologe kryptisch und bohrte dem Dicken einen Finger in den Bauch. »Ich muß los. Es gibt Leute, die müssen arbeiten.«
»Ich melde mich«, brüllte Dalziel hinter ihm her, dann wandte er sich Wield zu und fragte: »Also, was hältst du davon?«
»Da wäscht eine Hand die andere?« sagte Wield fragend. »Dieser Batty hat nicht nur die gesamte Forschung unter sich, er ist auch der Sohn und Erbe von Thomas Batty, dem der ganze Laden gehört. Eine nicht zu verachtende Verbindung für Mr. Longbottom.«
»Man braucht aber nicht viel Medikamente, wenn man sich auf Tote spezialisiert hat«, warf Dalziel ein.
»Ich könnte mir vorstellen, daß Mr. Longbottom eine einflußreiche Persönlichkeit im Verwaltungsrat des
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