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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Kanonenfutter verwendet zu werden. Seither ist niemand auf eine andere Idee gekommen, und so stellen wir seit Generationen bewegliche Zielscheiben zur Verfügung. Selten, daß einer über meinen Rang hinauskommt, nur mein Vater hat es bis zum Oberst gebracht. Tat einen Satz im Jahr ’15 vom Subalternoffizier zum Major, dann im Jahr ’18 zum diensttuenden Oberstleutnant. Das war das einzige Plus bei der Show – beste Aussichten auf beschleunigte Beförderung. Sofern man überlebte.«
    »Nett, zu hören, daß es Leute gab, die tatsächlich überlebten«, sagte Pascoe.
    »O ja, dafür hatte mein Vater Talent. Wurde neunzig. Schrieb an seinen Memoiren, als er starb. Ich hatte noch zu ihm gesagt, daß er ein bißchen lang gewartet hätte, aber er meinte, es mache keinen Sinn anzufangen, wenn man sich nicht ziemlich sicher sei, daß man nichts mehr tun würde, an das zu erinnern sich lohne.«
    »Es klingt, als wären seine Erinnerungen eine interessante Lektüre«, sagte Pascoe. »Und wenn wir schon von Lektüre reden, gibt es etwas, das Sie mir empfehlen würden, um meiner unermeßlichen Ignoranz über den Großen Krieg entgegenzuwirken?«
    Der Major sah ihn mit einäugiger Schärfe an, um zu ergründen, ob Peter ihn auf den Arm nahm. Dann griff er nach einem Band hinter sich und sagte: »Das ist so ziemlich die beste allgemeine Einführung, die es gibt. Wenn Sie danach einen Geschmack für Horror entwickelt haben, können Sie sich spezialisieren.«
    »Danke«, sagte Peter und nahm das Buch entgegen. »Ich bringe es Ihnen natürlich zurück.«
    »Das will ich aber doch wohl hoffen«, sagte der Major. »Mit Kerlen, die sich etwas von der Ausrüstung eines anderen leihen und es nicht zurückgeben, nimmt es immer ein schlimmes Ende. Nun lassen Sie uns schauen, ob wir ein Plätzchen für Ihre Oma finden, das ein wenig passender ist als ein Kamin, ja?«
    Unvermittelt stand er auf. Während Pascoe ihm aus dem Büro folgte, sagte er: »In Ihrem Museum ist alles sehr ordentlich, Sir.«
    »Was? O, danke. Oder entdecke ich dahinter Ironie? Vielleicht finden Sie ja, daß sich Ordnung nicht mit einem Ort verträgt, an dem der Krieg verherrlicht wird?«
    »Alles, was ich sagen wollte, war –«
    »Lügen Sie bitte nicht aus Höflichkeit. Polizisten sollten immer die Wahrheit sagen. Wie Museen. Das erhoffe ich mir von diesem. Wenn es überhaupt etwas verherrlicht, dann den Mut und den Dienst fürs Vaterland. Aber wenn die Wahrheit lautet, daß Menschen unnötig, ja sogar willkürlich geopfert wurden wie in der Art Schlacht, in der ihr Großvater umgekommen ist, dann darf ein Museum nicht davor zurückschrecken, es seinen Besuchern zu zeigen. Wir schulden es den Gefallenen. Wir schulden es uns selbst als Berufssoldaten.«
    Sie waren in einem Zimmer an der Rückseite des Hauses angekommen, das früher als Küche diente, nun aber eine Ausstellung mit Gegenständen aus einer Feldküche beherbergte. Studholme wies durch das Fenster in einen kleinen gepflasterten Hof mit einem einzigen runden Blumenbeet in der Mitte. Dort standen drei brutal zurückgeschnittene Rosenstöcke.
    »Im Sommer sieht es besser aus«, sagte er. »Weiße Rosen, von Lilien umgeben. Das Regimentswappen. War früher mal ein blöder Witz. Von den West Yorkshire Fusiliers bekommt man immer eine gute Tasse Tee, sie machen selbst in ihrem Wappen dafür Reklame. Rosen, Lilien; Rosy Lee, verstehen Sie? Kein sehr guter Witz. Neue Rekruten wurden immer die Lilien genannt, und wenn man sein Training als Kadett beendet hatte, kriegte man seine Rose. Tut mir leid. Regimentsgeschichten. Wenn ich erst einmal loslege, höre ich nie wieder auf. Wie sind wir darauf gekommen?«
    »Die Asche meiner Großmutter«, half Peter ihm weiter.
    »Stimmt. Das Rosenbeet. Knochenmehl wäre hier nicht fehl am Platze. Oder …« Er zögerte, dann fuhr er fort: »Sagen Sie einfach, wenn Sie es für ein bißchen zu kraß halten, aber unten im Keller … ich zeig es Ihnen.«
    Er öffnete eine Tür. Eine Steintreppe wurde sichtbar.
    »Kalt, feucht und unfreundlich da unten«, sagte Studholme. »Ich wußte einfach nicht, was ich damit anstellen sollte. Dann dachte ich, warum überhaupt etwas verändern? Man muß mit dem Strom schwimmen, heißt es nicht so? Nicht sonderlich originell, natürlich. Das Imperial War Museum macht etwas Ähnliches, aber ich würde sagen, atmosphärisch sind wir hier eine Klasse besser.«
    »Tut mir leid …?« sagte Pascoe.
    »Ganz mein Fehler. Bin schon wieder am

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