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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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»Und was hat Sie zu uns verschlagen, Major?«
    »Ich will mit Freunden in dieser Gegend essen gehen. Ich wollte Sie eigentlich morgen anrufen, dachte aber, von Angesicht zu Angesicht ist es besser. Besonders da ich Ihnen etwas zeigen wollte.«
    Er nahm einen großen Umschlag, den er auf den Couchtisch gelegt hatte, schlug die Klappe mit dem Daumen zurück und schüttelte ein paar Fotografien heraus.
    Es waren Soldaten aus dem Großen Krieg. Auf zwei der Bilder waren sie aufgereiht, das andere zeigte vier Männer, die an die Protze eines pferdebespannten Geschützes gelehnt standen. Ihre Uniformen waren schlammverschmiert, und obwohl sie sich redlich bemühten, saß ihr fröhlicher Ausdruck auf den erschöpften Zügen wie das Lächeln einer Prostituierten.
    »Jemand dabei, den Sie erkennen?« fragte Studholme.
    »Gütiger Himmel«, sagte Ellie, die mit den Getränken gekommen war und sie auf dem Tisch abstellte. »Da bist du wieder, Peter.«
    Diesmal konnte selbst Peter die Ähnlichkeit nicht leugnen. Auf den Gruppenfotos war sie weniger klar ersichtlich, aber Ellie landete mit unfehlbarer Genauigkeit bei dem Gesicht, bei dem Studholme zustimmend nickte.
    »Was wollen Sie damit sagen?« fragte Peter Pascoe. »Gehe ich richtig in der Annahme, daß Sie diesen Soldaten für meinen Urgroßvater halten?«
    Die Entdeckung kam ihm nicht besonders aufregend vor, mit Sicherheit nicht aufregend genug, um auch nur den kleinsten Umweg zu rechtfertigen.
    Der Major sagte: »Sie haben ein Foto erwähnt, das in Ihrem Besitz ist?«
    Mit dem perfekten Gefühl für den perfekten Zeitpunkt, das Rosie von ihrer Mutter geerbt hatte, stieß sie die Tür auf und trat ein, barfüßig und im Nachthemd, und hielt das Foto aus Adas Sekretär in der Hand.
    »Sieh mal, was ich gefunden habe, Papi.«
    »Gütiger Gott«, sagte Pascoe und nahm das Foto. »Ich war doppelt so alt, bevor ich entdeckte, wie man die Schublade öffnet.«
    »Mädchen reifen schneller«, bemerkte Ellie. »Das heißt aber nicht, daß sie nicht ihren Schlaf brauchen. Komm, zurück ins Bett mit dir, Lady Macbeth.«
    »Warum trägt Papi die komischen Kleider?« fragte Rosie, die früh gelernt hatte, daß sie ihre Mutter am besten ablenken konnte, indem sie so viele Fragen wie möglich stellte.
    »Das bin nicht ich, mein Schatz«, unterbrach Pascoe sie. »Das ist dein Urgroßvater, und er hat nur zufällig ein klein bißchen wie ich ausgesehen.«
    »Er ist dir wie aus dem Gesicht geschnitten«, sagte Ellie. »Stimmt’s, Liebes?«
    »Verdammte Tat, ja«, sagte Rosie zustimmend.
    Pascoe zuckte zusammen und warf einen um Entschuldigung heischenden Blick auf den Major, dessen sichtbare Augenbraue fragend hochgezogen war. Ellie nahm das kleine Mädchen in die Arme und sagte: »Und nun gehen wir. Sag gute Nacht.«
    Es trat eine Pause ein, in der Peter Pascoe sich fragte, ob seine Tochter ihren Wortschatz nach einer weniger konventionellen Wendung durchforstete wie etwa: »Lassen Sie sich ja nicht von den Scheißtypen fertigmachen« oder »Du kannst mich mal, du Arsch«, doch sie begnügte sich mit einem langmütigen »Dann also gute Nacht« über die Schulter ihrer Mutter.
    »Sie macht überraschende Fortschritte in der Schule«, sagte Pascoe, als sich die Tür geschlossen hatte.
    »In der Tat«, sagte Studholme trocken.
    Er nahm das Bild, das Peter in der Hand hielt, studierte es aufmerksam und legte es neben die, die er mitgebracht hatte.
    »Könnten Doppelgänger sein«, sagte er. »So etwas kommt vor. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Aber es sieht eher danach aus, als ob es dieselbe Person ist. Sehen Sie das nicht auch so?«
    »Nun, ja. Aber was bringt’s? Haben Sie den Namen des Kerls auf Ihren Fotos?« fragte Pascoe.
    »Ja, Namen für fast alle. Einer meiner Vorgänger in den 1920ern war sehr gründlich. Er hat Überlebende befragt. Deshalb bin ich hier.«
    »Weil das definitiv Stabsgefreiter Clark war?«
    »Feldwebel am Ende. Und nicht Clark. Hier. Sehen Sie?«
    Er holte ein Stück Papier hervor, auf dem ein geduldiger Mensch eine Umrißzeichnung der Gruppen gemacht hatte und anstelle der Gesichter Nummern eingesetzt hatte. Darunter war eine Legende.
    Pascoe sah nach, welche Nummer sein Ebenbild hatte. 22. Dann blickte er auf die Legende.
    Er war froh, daß er nicht stand. Selbst im Sitzen spürte er, wie der Stuhl unter ihm einen Satz machte, und es flimmerte ihm vor den Augen wie beim Einsetzen einer Migräne.
    Nr. 22 Peter Pascoe (Stabsgefreiter)
    »Soll das ein Witz

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