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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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hab ihn weggeschickt«, kreischte die Greisin, über deren gebeugten Rücken hinweg Pascoe geradewegs ins Wohnzimmer sehen konnte, da es keinen Flur oder Windfang gab. Aus der Tür, die genau auf einer Linie mit der Haustür lag und hinter der nach seiner Kenntnis der Zimmeranordnung dieser Häuser vermutlich die Küche war, wurde eine zweite Frau sichtbar. Sie war insofern jünger, als sie zwar die Fünfzig überschritten hatte, aber noch keine Greisin unbestimmbaren Alters war, und sie stand auch noch senkrecht wie eine Tanne. Die Familienähnlichkeit war jedoch nicht zu leugnen, als sie Pascoe mit starrem Blick ansah und sagte: »Mutter, mach Platz!«, was bei Pascoe so ankam, daß sie weniger die Szene für eine Entschuldigung vorbereiten wollte, als Platz schaffen wollte, um die Ärmel hochzukrempeln.
    »Miss Quiggins?« sagte er.
    »Wer sind Sie?«
    Er mußte sich schnell entscheiden. Freundlicher Fremder, der sich nach seiner Familie erkundigt, oder unpersönlicher Polizist, der unpersönlich ermittelt?
    Er wäre gern bei der Wahrheit geblieben, aber sein Instinkt sagte ihm, daß ihm jugendlicher Charme bei diesem ungastlichen Paar nicht weiterhelfen würde.
    Er holte also seinen Ausweis hervor, wedelte ihnen damit vor den Augen herum – zu rasch, hoffte er, als daß sie seinen Namen hätten lesen können – und sagte: »Kriminalpolizei. Wir versuchen, eine Familie Pascoe zu finden, die hier in dieser Gegend gewohnt hat. Der Pfarrer sagte, vielleicht könnten Sie helfen.«
    »Ach ja? Was zum Teufel weiß der denn davon?« sagte die jüngere Frau verächtlich.
    »Er bringt mir Glimmstengel«, sagte Mrs. Quiggins und bedachte Pascoe gierig mit einem hoffnungsvollen Blick.
    Dalziel hätte postwendend eine Schachtel aus der Tasche gezaubert. Pascoe konnte nur entschuldigend lächeln. Er fragte: »Können Sie uns also helfen, Miss Quiggins?«
    »Mrs. Lyall. Miss Quiggins ist schon lange her.«
    Die Wehmut in ihrer Stimme ließ vermuten, daß der veränderte Zivilstand nicht in allen Punkten nach ihrem Geschmack war.
    »Also, Mrs. Lyall, was diese Pascoes betrifft, kennen Sie jemanden mit dem Namen?« sagte Pascoe knapp.
    Mrs. Lyall hatte ihre Mutter mit Gewalt aus dem Weg geschoben, und nun füllte sie die Tür auf eine Weise, die nahelegte, daß er nicht aufgefordert werden würde, einzutreten.
    »Hier gibt es niemand, der so heißt«, sagte sie nachdrücklich. »Was haben die angestellt?«
    »Hilfe bei einer Ermittlung«, sagte Pascoe wenig gesprächig.
    »Tja, wir können nicht helfen. Tut mir leid.«
    Die Tür begann sich zu schließen. Da schrie die Alte unsichtbar, wahrscheinlich verärgert, weil sie nicht mehr in der Frontlinie stand: »Was hat er gesagt? Pascoes? Fragt er nach den verdammten Pascoes?«
    »Nun hör schon auf, Mutter«, sagte Mrs. Lyall, über die Schulter nach hinten keifend. Und zu Pascoe sagte sie: »Sie ist wirr. Schenken Sie ihr keine Beachtung.«
    »Den Namen scheint sie aber wiederzuerkennen«, sagte Pascoe.
    »Glauben Sie? Ich wohne mit ihr zusammen, und ich sage Ihnen, daß sie nichts wiedererkennt. Sehen Sie das Stückchen Straße hier? Es ist noch wie vor hundert Jahren. Das erkennt sie, denn hier hat sie ihr Leben verbracht. Bringen Sie sie fünfzig Meter weiter die Straße hinunter, wo alles verändert ist, und sie fängt an zu kreischen, als hätte man sie am Ende der Welt aus den Wolken fallenlassen. Wenn sie also einen Namen wiedererkennt, dann weil er jemandem gehört, der seit langem nicht mehr hier ist und wahrscheinlich schon ewig tot ist.«
    »Nichtsdestotrotz«, sagte Pascoe. Das Wort hatte auf die Frau dieselbe Wirkung wie auf Dalziel. Sie sah ihn irritiert und resignierend an.
    »Wenn Sie Zeit zu vergeuden haben, bitte schön. Ich habe zu tun. Passen Sie auf, daß sie Ihnen nicht entwischt!«
    Mit diesen Worten drehte sie sich um und zog sich in die Küche zurück. Pascoe war sich unsicher, ob man ihn aufgefordert hatte, ins Haus zu kommen, oder ob er als Wache an der Tür stehenbleiben sollte.
    Er entschied sich für einen Kompromiß, indem er das Haus zwar betrat, aber in der offenen Tür stehenblieb.
    »Erinnern Sie sich an eine Familie namens Pascoe?« sagte er sanft zu der alten Frau.
    »Die haben wohl Ärger, stimmt’s?« sagte Mrs. Quiggins.
    Die Hoffnung in der Stimme der Alten ließ ihn vermuten, daß eine Bestätigung ihn wahrscheinlich weiterbrachte als eine Versicherung des Gegenteils.
    »Ich fürchte, ja. Wir müssen sie dringend finden. Also

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