Der Wald - ein Nachruf
Hinweisen zu Fett und Zucker. Ein Wert von 25 besagt, dass 25 Gewichtsanteile Kohlenstoff (C) auf einen Gewichtsanteil Stickstoff (N) kommen. Je kleiner dieser Wert ist, desto weniger Kohlenstoff bzw. mehr Stickstoff ist im Humus vorhanden, und man weiß, dass Hornmilben und Co Blätter mit einem C/N-Verhältnis zwischen 20 und 30 brauchen. Optimal ist ein Wert von 25, den man im Laub unberührter Buchenwälder findet.
Werden nun Bäume gefällt, so sollte sich eigentlich nichts ändern. Denn die verbleibenden Buchen bilden weiterhin Blätter, die im Herbst zu Boden fallen und von den Bodentierchen gefressen werden können. So kann jeder den Wald auf seine Art nutzen, wir das Holz und die Milben das Laub. Rolf Zimmermann entdeckte jedoch etwas, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Seine Messungen ergaben, dass sich das C/N-Verhältnis der Laubstreu in bewirtschafteten Buchenbeständen dramatisch verändert und dort auf über 30 ansteigt. 8 Für die Bodentierchen bedeutet dies Hunger, denn nun können sie die Streu kaum noch verwerten. Und das traf mich. Denn ich hatte mir mit der Bewirtschaftung viel Mühe gegeben, hatte den Wald durch Pferdeeinsatz geschont, erntete nur hier und da einen Baum, ohne Kahlschlag und ohne Chemie. Und trotzdem verursachte ich Schäden am Ökosystem. Mein Traum von der friedlichen Koexistenz schien geplatzt. Nun musste auch ich der Tatsache ins Auge se hen, dass Forstwirtschaft definitiv kein Naturschutz ist. Wer Bäume absägt, kann sie schließlich nicht schützen, denn dann sind sie tot. Und die Nahrungskette, die von diesen Pflanzen abhängt, wird ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Eigentlich logisch, aber als Förster war ich so ausgebildet worden, dass ich Waldbewirtschaftung nicht nur als unschädlich für die Natur, sondern geradezu als Naturschutz ansah. Für mich waren diese Ergebnisse daher noch einmal ein starkes Signal für die Einrichtung von Waldreservaten, in denen der Mensch seine Hände aus dem Spiel lässt.
Zurück zur Laubstreu. Warum verändert sie ihre Zusammensetzung, wenn einzelne Bäume gefällt werden? Eine mögliche Erklärung ist das zusätzliche Licht. Wo der gefällte Baum stand, erwärmt die Sonne das Erdreich. Dadurch steigt die Aktivität der Bodenlebewesen, die den Humus nun schneller zersetzen. Dabei wird rasch sehr viel Stickstoff frei, und zwar mehr, als die Bäume aufnehmen können. Der Überschuss gelangt ins Grundwasser und verschlechtert dessen Qualität.
Ist die Streu abgebaut, kommt dieser Prozess zum Stillstand. Der Humus als unverzichtbarer Wasserspeicher ist auf einen kläglichen Rest zusammengeschmolzen und der wichtige Nährstoff Stickstoff fehlt den Bäumen nun. Sie hungern regelrecht und in der Folge zeigen die Blätter Mangelerscheinungen. Das lässt sich leicht am C/N-Verhältnis des abgeworfenen Laubs ablesen, das sich aufgrund des Stickstoffmangels von 25 auf 35 erhöht hat. Damit kommen die Bodentierchen nicht gut zurecht und deshalb wächst nun das Laubstreupolster auf dem Waldboden wieder an. Weil die toten Blätter aber nur sehr langsam gefressen und zersetzt werden, gelangt der Stickstoff erst recht nicht wieder in den Kreislauf zurück, sondern bleibt großenteils im Laub gebunden. In der Folge weisen die nächsten Blätter, die von den Bäumen fal len, ein noch schlechteres C/N-Verhältnis auf. Dieser Teufelskreis kommt erst dann zum Erliegen, wenn man den Wald langfristig in Ruhe lässt. Kurzfristige Abhilfe schafft ein erneuter Kahlschlag, der leider gängige Praxis ist. Dadurch steigt die Aktivität der Bodentierchen mit den bekannten Folgen erneut an. Allerdings wird das bisschen Humus, das sich im Lauf der vorange gangenen Jahrzehnte ansammeln konnte, dann endgültig abgebaut und somit vernichtet.
Kahlschläge sind mittlerweile eigentlich tabu und die Lage sollte sich dadurch langfristig verbessern. Doch was ist überhaupt ein Kahlschlag? Ich verstehe darunter den Einschlag sämtlicher alter Bäume mit den beschriebenen Folgen für das Ökosystem. Rein juristisch gilt jedoch eine Fläche, die mit kniehohen Jungbäumen bestanden ist, als vollwertiger Wald. Wenn man daher die alten Bäume nicht gleichzeitig, sondern gruppenweise über mehrere Jahre verteilt erntet, so stellt sich in dem durchlöcherten Bestand rasch etwas Nachwuchs ein. Fällt dann später der letzte alte Stamm zu Boden, so gilt die Parzelle durch die zwischenzeitlich erfolgte Begrünung rein amtlich gesehen nicht als Kahlfläche. Ob das Spechte und
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