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Der Wald - ein Nachruf

Der Wald - ein Nachruf

Titel: Der Wald - ein Nachruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wohlleben
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Fachwerkhäuser stehen noch heute und künden von der Tauglichkeit von Laubhölzern für den Hausbau. Doch warum baut man heute nicht mehr mit diesen Arten?
    Es ist das Angebot, das die Nachfrage bestimmt. Schön gerade gewachsene Stämme waren vor 200 Jahren kaum noch im Wald zu finden, weil dieser völlig ausgeplündert war. Die wenigen Laubbäume, die groß werden durften, wuchsen zu knorrigen, romantischen, aber als Bauholz völlig unbrauchbaren Geschöpfen heran. Schlanke Bäume gibt es eben nur in einem dicht bewachsenen, ungestörten Bestand. Denn sobald irgendwo zusätzlich Licht fällt, wächst eine Buche oder Eiche schnurstracks in diese Richtung. Das kann durch Baumfällungen in der Nachbarschaft passieren, weshalb es so schwierig ist, mit Laubbäumen gute Holzqualitäten zu erzielen. Jedes Zuviel an Durchforstung gibt zu viel Licht in den Beständen und lässt ein Tohuwabohu an krummen Stämmen entstehen. Und zu viel Licht entstand auch durch die gnadenlose Übernutzung der Wälder im 19. Jahrhundert.
    Nun kamen die Nadelbäume ins Spiel, deren Siegeszug durch die jagdlichen Verhältnisse gefördert wurde. Plötzlich gab es ein reiches Angebot an Bauholz aus Fichte, Kiefer oder Lärche. Dieses war zwar nicht so dauerhaft wie Eiche, aber wesentlich billiger, da reichlich vorhanden. Billiger? Aber möchte ein Waldbesitzer nicht möglichst viel Geld verdienen? Dann müsste er doch Laubbäume produzieren, mit denen sich, wenn man sauber rechnet, wesentlich mehr erwirtschaften lässt, und nicht die Massenware Nadelholz!
    Eine besondere Eigenschaft der Nadelbäume beschleunigte ihre Akzeptanz: Sie wachsen fast immer gerade und gieren nicht so sehr nach dem Licht wie Buchen oder Eichen. Sie streben stur nach oben, egal wie viel Platz oder Licht sich nebenan auftut. Das macht es Förstern einfach, in den Forsten abzuholzen. Wird einmal zu viel gefällt, ist das kein Problem, denn die verbleibenden Exemplare biegen nicht ab, sondern wachsen weiterhin gerade nach oben. Nadelbäume verzeihen rein forstwirtschaftlich gesehen mehr Fehler und eignen sich daher besser für eine einfache Waldwirtschaft als die »problematischeren« Laubgehölze. Konflikte mit dem Jagdpächter drohen ebenfalls nicht, wenn man auf Laubholz verzichtet. Buchen und Eichen sind also nicht aus betriebswirtschaftlichen oder gar ökologischen Gründen ins Hintertreffen geraten, sondern nur deswegen, weil das Arbeiten mit diesen Baumarten etwas anspruchsvoller ist. Die Waldumgestaltung der letzten Jahrzehnte ist also der Bequemlichkeit der Bewirtschafter geschuldet. Und wenn die Bevölkerung von all dem nichts merkt, mit der künstlichen Taiga sogar zufrieden zu sein scheint, warum sollte man sie dann aufklären und sich selbst damit nur Ärger und Arbeit einhandeln?

Bewirtschaftungskontrolle
    Wir leben in einer Weltregion mit einer sehr hohen Kontrolldichte. Für alles und jedes gibt es eine Norm oder Vorschrift, selbst für Bananen oder Kondome. Tausende Beamte kontrollieren akribisch die Einhaltung aller Bestimmungen und das will ich auch gar nicht kritisieren. Denn abgesehen von wenigen Auswüchsen funktioniert unser öffentliches Leben nur deshalb so friedlich und zuverlässig, weil die Spielregeln von allen eingehalten werden müssen.
    Wenn uns eine Regelung persönlich betrifft, uns Einschränkungen auferlegt, sehen wir das naturgemäß ein wenig anders. Wäre es nicht paradiesisch, wenn wir uns selber überwachen dürften? So etwa bei der jährlichen Steuererklärung. Keine Frage, die meisten von uns würden angeben, es gäbe bei uns nichts zu holen. Dieses Paradies gibt es für Otto Normalverbraucher nicht, wohl aber für Otto Normalförster. Denn die Forstverwaltungen sind amtliche Planer, Bewirtschafter und Kontrolleure in Personalunion. Sie bescheinigen sich selbst die Einhaltung der Nachhaltigkeit und die Berücksichtigung von Umweltbelangen. In keinem anderen Wirtschaftszweig wird so wenig ohne Aufsicht durch Dritte gearbeitet. Getarnt wird diese Praxis mithilfe einer Reihe von Verfahren, die scheinbar transparent und objektiv sind.
    Besitzer größerer Wälder, je nach Region ab einem halben Quadratkilometer Fläche, müssen vor der Durchführung von forstlichen Maßnahmen eine Inventur nebst Zehnjahresplan anfertigen lassen. Diese sogenannte Forsteinrichtung kann entweder ein privates Sachverständigenbüro übernehmen oder eine eigene Abteilung der staatlichen Forstverwaltungen. Die Erhebung soll den Status quo ermitteln und

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