Der Wald - ein Nachruf
die Kleinen.
Eine andere Art der Einflussnahme betreibt die Holzindustrie. Neben ihrem Wirken in Sachen Nationalpark versucht sie, die Gestaltung des Walds massiv zu steuern. Um ihre Ziele zu verstehen, ist ein Blick in die Vergangenheit nötig.
Seit über einem Jahrhundert favorisieren die europäischen Forstbetriebe den Nadelholzanbau. Und wie es in einer Marktwirtschaft üblich ist, hat sich die Industrie perfekt auf die Verhältnisse eingestellt. Fichten und Kiefern stellen den Löwenanteil des Holzeinschlags, weshalb die meisten Sägewerke genau diese Baum arten verarbeiten. Wind und Sturm verhindern, dass die Bäume alt und dick werden können. Daher sind die Maschinen auf dünne Stämme ausgerichtet und ein Großteil der Sägeindustrie kann gar nichts anderes mehr verwerten. Die meisten Forstverwaltungen haben mittlerweile eine schonende Wirtschaftsweise versprochen, ein Versprechen, an das ich allerdings nicht mehr glauben kann. Denn ein rücksichtsvollerer Umgang muss auch ein Älterwerden der Wälder beinhalten. Damit gäbe es dann dickere, größere Bäume, mit denen die Sägeindustrie nichts an fangen kann. Diese sollen daher nach dem Willen der Holzverarbeiter weiterhin die Ausnahme bleiben. Angesichts der öffentlichen Pläne kursiert schon das Gerücht eines sogenannten Starkholzproblems. Tatsächlich bezahlen viele Säger bei dicken Stämmen weniger Geld pro Kubikmeter Holz als bei dünnen, weil sie solche Ungetüme gar nicht sägen können.
Wald ist eine langfristige Angelegenheit, ein Sägewerk jedoch nicht. Nach zehn Jahren ist es abgeschrieben, es werden neue Maschinen angeschafft, die dann den geänderten Verhältnissen angepasst werden könnten. Könnten, denn viele Förster machen sich die Argumente der Werke zu eigen und holzen in vorauseilendem Gehorsam die Bäume dann ab, wenn sie den Optimaldurchmesser für die Anlagen aufweisen. Den Rest erledigen in den Nadelforsten die Stürme, die ganze Waldabteilungen umwerfen, sodass die Stämme zwangsweise genutzt werden müssen. Auf diese Weise bleibt das System in sich selbst gefangen: Die Säger stellen nicht auf Starkholz um, weil sie nur dünne Bäume kaufen können, und die Förster holzen frühzeitig ab, um nicht schwer verkäufliches dickeres Holz zu produzieren. Dabei gibt es durchaus Forstbe triebe, die ohne Rücksicht auf die Industrie Bäume ausreifen lassen. Sie möchten Fichten, Kiefern oder Buchen alt werden lassen und sie erst dann ernten, wenn sie kurz vor ihrem natürlichen Tod stehen. Und siehe da, einzelne Säger passen sich dem an. Mittlerweile gibt es einige wenige Werke, die diese Baumsenioren erwerben und gewinnbringend verarbeiten können.
Ein weiteres Märchen ist das zwingende Erfordernis, in Deutschland Nadelholz produzieren zu müssen. Ich habe im Januar 2009 auf Einladung des Bundesamts für Naturschutz einen Vortrag auf der Grünen Woche in Berlin gehalten, in dem ich meine Überzeugungen zum Thema Forstwirtschaft dargestellt habe. Dazu gehört auch die Ansicht, den Buchenwäldern wieder mehr Geltung zu verschaffen. Irgendwann stand ein Beamter des Landwirtschaftsministeriums auf und kam ans Mikrofon. Er wollte wissen, woher wir zukünftig unser Bauholz nehmen sollten und wie die heimische Sägeindustrie mit Rohstoffen versorgt würde, wenn alle so etwas machen würden wie ich. Unterschwellig hing dem »so etwas« dem Tonfall nach zu urteilen noch das Wörtchen »Blödsinn« an. Solche Vertreter der konventionellen Wirtschaft möchten, so denke ich, überhaupt keine Argumente hören, die für Laubholz sprechen. Dabei gibt es einleuchtende Gründe, warum wir nicht stur auf Nadelbäume setzen müssen. Einen wichtigen hielt ich dem Behördenvertreter gleich entgegen: »Im Rahmen des globalisierten Handels müssen wir in Deutschland nicht alles selber produzieren. Nadelholz kann, ebenso wie Bananen, aus den Regionen importiert werden, wo es heimisch ist.«
Den zweiten Grund können Sie bei jedem Rundgang durch ein mittelalterliches Städtchen sehen. Schauen Sie sich einmal die alten Fachwerkhäuser an, speziell die verwitterten Balken. Es sind in den meisten Fällen Laubbäume, aus denen das filigrane Werk errichtet wurde. Damals gab es mit Ausnahme des Alpenraums keine Fichten oder Kiefern und damit standen nur Eichen, Buchen, Eschen, Ulmen oder Ahorne als Baumaterial zur Verfügung. Ab und an kam der Stamm einer Weißtanne hinzu, die in den Urwäldern Mitteleuropas manchmal neben den Buchen vorkam. Und siehe da, die
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