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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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Universitätsmensa. Der Geruch von Gyros, Pommes frites, Alkohol, Benzin und Parfüm hängt über den Straßen des »Kwatier Lateng«. Ein fetter, übersättigter Geruch, so gegensätzlich zum Aroma Afrikas: dem trockenen Lehm, dem Raubtierdung, dem Duft von Holzkohlerauch und Milch, den die Zulu-Frauen auf den Märkten hinter sich herziehen wie einen Schleier. Das »Groove« ist ein schummriger Keller auf der Kyffhäuserstraße. 23 Uhr ist noch früh für das studentische Szenevolk, das hier verkehrt, aber bald wird es voll sein. Ein schmalhüftiger Rothaariger mit Tatoos auf den nackten, mageren Oberarmen und einem schweren Silberring in Form eines Totenkopfes legt Vinylplatten auf, Projektoren werfen psychedelische Kringel in Orangetönen an die Wände. Schwarzlicht lässt die BH-Träger der Barmädchen wie Neon leuchten. Ein paar junge Männer am Tresen trinken Flaschenbier und beobachten sie. Ihr Haar ist ähnlich zurechtgegelt wie das von Silberjacke, dem Polizisten. An ihn will Diana nun wirklich nicht erinnert werden. Bedacht darauf, Abstand zu halten, ordert sie einen Caipirinha.
    Sie trinkt selten Alkohol und der erste bitterherbe Schluck schießt ihr direkt von der Kehle in den Kopf. Gut. Sie lässt das zerstoßene Eis im Glas klirren und schlendert an der Theke und den Geljungs vorbei in den Hinterraum, wo eine metallene Bodenplatte als Tanzfläche dient. Der rothaarige DJ hat offenbar ein Faible für Oldies, er zerrt den Regler hoch, ein metallischer, künstlicher Sound, irgendetwas, das wie Kraftwerk klingt. Dann Tainted Love in einer Technoversion. Ein paar Studentinnen mit schwarz geränderten Kajalaugen beginnen zu tanzen. Mit geschlossenen Lidern lassen sie ihre Hüften kreisen und saugen hin und wieder hungrig an ihren Zigaretten, was die mechanischen Bewegungen ihrer fleischlosen gepiercten Bäuche auf eine groteske Art jeder Sinnlichkeit beraubt. Ein dunkelhaariger Typ mit Pferdeschwanz, Cargo-Jeans und einem eng anliegenden schwarzen T-Shirt scheint zum selben Schluss wie Diana zu kommen. Er wendet seine Aufmerksamkeit von der Tanzfläche ab. Für eine Sekunde treffen seine Augen ihre und sie liest darin so etwas wie Neugier, dann lässt er den Blick weiterschweifen und nimmt einen langen Schluck von seinem Flaschenbier. Am anderen Ende der Tanzfläche winkt ihr jemand zu und Diana erkennt Jens, einen alten Klassenkameraden. Langsam schlendert sie zu ihm hinüber und fühlt dabei den Blick des Dunkelhaarigen auf ihrem Rücken, ein angenehmes Kribbeln. Sie lehnt sich an die Wand und tauscht mit Jens die obligatorischen Nettigkeiten aus, auch ihn hält sie auf Abstand.
    Der dunkelhaarige Typ sieht jetzt ganz ungeniert herüber, vielleicht steht er ja auf Frauen, die er nicht haben kann, auf jeden Fall scheint ihm der kleine Wettkampf um Dianas Aufmerksamkeit zu gefallen. Sie lässt Jens vom zehnjährigen Abijubiläum schwatzen, das sie verpasst hat, sagt ihm aber wohlweislich nicht, wo sie zu dieser Zeit gelebt hat, weil er dann bestimmt alles ganz genau wissen will. Sie tut so, als ob sie das, was Jens erzählt, einigermaßen interessiert, nippt an ihrem Drink und wirft dem anderen Typen hin und wieder einen Blick zu. Sie kann durch den Raum fühlen, wie sie von Minute zu Minute interessanter für ihn wird. Schließlich nimmt er seinen Ellbogen von dem kleinen Bartisch, an dem er lehnt, und zieht mit dem Fuß einen soeben frei gewordenen Barhocker neben sich, eine Geste, die Diana als Einladung interpretiert. Sie nickt Jens ein Wir-sehen-uns-gleich-noch zu und unterdrückt ein Lächeln, während sie sich an den tanzenden Studentinnen vorbeischlängelt.
    »Darf ich?«
    »Ich bitte darum.« Er spricht hochdeutsch. Gut. Der DJ legt irgendwas mit einem satten afrikanischen Beat auf. Diana setzt sich auf dem Hocker zurecht und lässt den Turnschuhfuß im Takt wippen. Der Dunkelhaarige mustert sie.
    »Ich hab dich hier noch nie gesehen. Du bist nicht von hier, oder?«
    »Ja und nein.«
    »Aha.« Er grinst. Er hat schöne weiße Zähne. »Und was heißt das?«
    »Willst du die kurze oder die lange Fassung?«
    »Lohnt sich die extended version?«
    »Kommt drauf an, was du magst.« Sie nimmt den Strohhalm zwischen die Zähne und saugt den letzten Schluck Caipirinha aus ihrem Glas. »Die Langfassung ist ein bisschen wild.«
    »Wild klingt gut.« Er lehnt sich vor, berührt spielerisch den Ärmel ihres Kleides. »Passt zu deinem Outfit.«
    Sie lacht ihn an. »Und du, wohnst du hier?«
    »Gleich um die Ecke,

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