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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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am Rathenauplatz.«
    »Allein?«
    »In einer WG. Warum, ist das wichtig?«
    Sie zuckt die Schultern. Es ist ein bisschen früh, ihm zu sagen, dass sie die Nacht mit ihm verbringen will. Extended version sozusagen, volles Programm. Aber erst einmal hat sie Lust zu tanzen. Und mit ihm zu flirten. Und sie will einen zweiten Drink. Als könne er ihre Gedanken lesen, hält er seine Flasche hoch und schüttelt sie. Leer. Er steht auf, greift nach ihrem Glas. Er ist groß, bestimmt einen Kopf größer als sie. Der DJ schiebt den Regler noch ein bisschen weiter nach oben. Wieder ist da dieses Gefühl, dass sie in einem Raumschiff sitzt. Sie lehnt sich an die raue Wand. Das Forsthaus, der Wald und ihre Angst entschwinden in eine weit entfernte Galaxis. Der Dunkelhaarige sieht sie an.
    »Was trinkst du? Caipi?«
    Gute Kinderstube hat er auch noch, denkt Diana und nickt ihm zu. »Perfekt.«

Samstag, 1. November
    Es ist ein Albtraum, ein Albtraum. So hat sie sich den Moment nicht vorgestellt, in dem die Polizei sie damit konfrontiert, dass Andreas sie unwiederbringlich verlassen hat. Diese Kommissarin sieht aus, als habe sie in ihren Klamotten geschlafen und könnte jeden Moment wieder einen hysterischen Anfall bekommen. Ihr Kollege mit der albernen Frisur belauert sie mit kaum verhohlener Feindseligkeit. Als handle es sich um ein blutiges Messer, hat er gestern Abend Andreas’ Haarbürste in eine Plastiktüte fallen lassen, während seine herbeigerufenen Kollegen die Oberflächen in Andreas’ Arbeitszimmer mit allerlei Pülverchen bestreuten, um Fingerabdrücke zu nehmen.
    Juliane Wengert rückt ein Stückchen näher zu Albrecht Tornow, froh, dass er da ist, dieser langjährige Freund und Berater ihrer Familie. Sie fröstelt, sie hat nicht geschlafen in dieser Nacht, nachdem Albrecht diese scheußlich indiskreten Polizisten endlich hinauskomplimentiert hatte.
    Sie hat nicht geschlafen, hat nicht schlafen wollen, hat nur im Dunkeln vor dem Kamin gesessen und versucht, einen Sinn in allem zu finden. Aber natürlich gibt es keinen Sinn. Als Albrecht dann um neun Uhr wiederkam, unmittelbar vor den Kripobeamten, und diesen Ausdruck im Gesicht hatte, brauchte er gar nichts zu sagen. Der Tote ist Andreas, und das Einzige, was sie fühlt, ist ein mildes Erstaunen, dass die Polizei das tatsächlich über Nacht festgestellt hat, wo man doch vom öffentlichen Dienst ganz anderes gewohnt ist. Später wird Zeit sein, über das nachzudenken, was die Polizei herausgefunden haben will. Im Moment kommt es darauf an, Haltung zu bewahren.
    »Es tut uns sehr Leid, Frau Wengert, aber anhand des Röntgenbildes von Ihrem Zahnarzt konnten wir den Toten nun eindeutig als Ihren Mann identifizieren.« Die Kommissarin hat eine säuerliche Fahne. Angewidert konzentriert sich Juliane Wengert auf ihre weißen Lilien.
    »Frau Wengert, hatte Ihr Mann Ärger in der Schule? Hatte er irgendwelche Feinde?«
    »Haben Sie nicht doch eine Idee, was Ihr Mann im Bergischen Land gewollt haben könnte? Hat er sich dort vielleicht mit jemandem getroffen, hat er jemanden besucht?«
    »Frau Wengert, wie war Ihre Ehe? Waren Sie glücklich? Hatten Sie Probleme?«
    »Entschuldigen Sie, aber wir müssen leider so direkt fragen: Hat Ihr Mann Sie betrogen?«
    »Wollte Ihr Mann sich womöglich von Ihnen trennen, oder Sie sich von ihm?«
    Verbissen schüttelt sie den Kopf. Probleme! Oh, nein, sie wird ihnen nichts von diesem kleinen Flittchen erzählen, mit dem sie Andreas auf dem Sofa erwischt hat. Eine Minderjährige, eine seiner Schülerinnen! Ohne jedes Schamgefühl. Rotzfrech hat sie Juliane angesehen an jenem fürchterlichen Abend, als sie früher von einer Tagung heimgekommen ist. Sie haben mir überhaupt nichts vorzuschreiben! Ich liebe Ihren Mann, und er liebt mich auch! Den Zahn hatte sie der Kleinen immerhin schnell gezogen und Andreas hat es nicht gewagt zu widersprechen. Natürlich musste er die Affäre augenblicklich beenden – bevor etwas davon an die Öffentlichkeit dringen konnte. Bevor sie ihn aus ihrem Haus jagen würde und aus ihrem gemeinsamen Leben, dessen Luxus, wie sie sehr wohl weiß, er zu schätzen weiß – wohlwissend, dass er allein von seinem Gehalt einen ähnlichen Standard niemals finanzieren könnte. Außer sich vor Wut ist sie gewesen, nicht nur vor Eifersucht, auch deshalb, weil er nicht nur seinen guten Ruf, sondern auch ihren zu ruinieren drohte. Eine Schülerin! Wie wird sie dastehen, wenn der Skandal bekannt wird? Die alternde Ehefrau

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