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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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eitrige Pickel, vor ihr liegt ein Ayurveda-Buch.
    »Hallo, ich suche Vedanja.«
    »Hab ich heute noch nicht gesehen.«
    »Aber sonst ist er doch eigentlich immer hier?«
    Das Mädchen zuckt uninteressiert mit den Schultern. »Kann sein, dass er in der Stadt ist. Keine Ahnung, ehrlich.«
    »Und Laura?«
    »Vielleicht bei den Schafen? Oder in der Schreinerwerkstatt, da ist sie öfter.«
    Die Schreinerwerkstatt ist eine alte Fachwerkscheune, die abseits des Hauptgebäudes direkt am Schnellbach liegt. Im ausgebauten Dachboden befinden sich ein paar Gästezimmer. Unten in der Werkstatt riecht es nach Holz und Leinöl. Ben, der Schreiner, legt den Lappen, mit dem er soeben eine Meditationsbank poliert hat, auf die Werkbank und beugt sich zu Ronja hinunter, die sich wie ein Derwisch um die eigene Achse dreht.
    »Na, wen haben wir denn da? Welch hoher Besuch in unserer bescheidenen Werkstatt! Die Oberförsterin persönlich. Und in solch charmanter Begleitung.« Er geht in die Hocke und krault Ronja ausgiebig hinter den Ohren.
    »Wie geht’s, wie steht’s? Alles im grünen Bereich?«
    »Alles bestens.«
    »Wirklich? Das hört man selten von jenen unerlösten Seelen, die außerhalb unseres bescheidenen Aschrams leben müssen.« Er richtet sich auf und mustert Diana interessiert. Er hat eine eigentümliche Art, den Kopf zu neigen, Mit seinen strubbeligen dunklen Haaren erinnert er sie an ein vorwitziges Vogeljunges.
    »Ich suche Laura. An der Rezeption sagte man mir, sie sei vielleicht hier.«
    »Nein, hier ist sie nicht.«
    »Weißt du, wo sie steckt?«
    »Nein.« Plötzlich reagiert der Schreiner so wachsam, wie alle vom Sonnenhof, wenn sie das Gefühl haben, dass man sie ausfragen will. »Warum? Was willst du denn von ihr?«
    »Wir haben verabredet, dass sie auf Ronja aufpasst. Wenn sie das nicht tut, sitze ich in der Klemme. Denn da, wo ich hin muss, kann ich Ronja unmöglich mitnehmen.«
    »Ihr seid ziemlich oft zusammen, Laura und du.« Eine Feststellung, keine Frage.
    »Ja, sie besucht mich oft. Das ist doch nicht verboten, oder?«
    »Solange sie hier ihre Arbeit erledigt.«
    »Tut sie das denn nicht?«
    »Doch, doch, natürlich tut sie das.«
    »Na dann ist ja alles in Ordnung. Weißt du wirklich nicht, wo sie sein könnte?«
    »Sie kommt bestimmt bald wieder. Lass Ronja doch einfach hier bei mir. Wenn Laura kommt, kann sie übernehmen.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ronja kennt mich doch inzwischen, Laura ist sowieso oft mit ihr hier. Was hast du denn so Wichtiges vor?«
    »Meine kleine Schwester gibt ein Konzert in Köln. Wenn ich nicht mindestens bis morgen Nachmittag dabei bin, das Ereignis würdige und beim Bewirten der Ehrengäste helfe, verzeiht meine Mutter mir das niemals.«
    »Ja, ja, die Mütter!«
    Diana drückt ihm Ronjas Leine in die Hand. »Also, wenn du wirklich auf Ronja aufpassen würdest. Vielen Dank, Ben.«
    »Kein Problem, Laura kommt bestimmt bald.«
    »Eigentlich wollte ich auch noch was mit Vedanja besprechen. Aber wo der steckt, weißt du wohl auch nicht?«
    »Nein. Was willst du von ihm?«
    »Ach, es ist nur – ich hab ihm vor ein paar Tagen ein Handy gegeben, das ich im Wald gefunden habe. Darshan stand darauf. Ich wollte mal wissen, ob er diese Darshan inzwischen erreicht hat.«
    Bens Augen verengen sich. »Darshan?«
    »Ja. Er hat gesagt, eine Darshan hätte mal hier gelebt.«
    »Stimmt, aber sie ist jetzt in Indien.«
    »Das hat er auch gesagt, aber er war sich nicht ganz sicher. Er wollte versuchen, sie zu erreichen.«
    »Na, dann hat er das bestimmt auch getan.« Ben geht zur Werkbank und gießt Leinöl auf den Lappen. »Sorry, ich muss hier weitermachen. Der Laden brummt zur Zeit, wir haben richtig viele Bestellungen. Nächste Woche brauche ich Buchenholz – lässt sich das machen?«
    »Klar, kein Problem.«
    Sie handeln Preis und Liefermodalitäten aus und danach gibt es keinen Grund mehr, weiter in der Werkstatt zu bleiben.
    »Ich stelle die Dosen mit Ronjas Futter hier auf den Tisch«, sagt Diana schließlich und streichelt die Hündin zum Abschied.
    »Mach dir keine Sorgen, wir passen gut auf Ronja auf.«
    »Ja, ich weiß.«
    Trotzdem kommt es Diana so vor, als habe sich ein Schatten über diesen Tag gelegt, der so perfekt begonnen hatte. Es sieht Laura überhaupt nicht ähnlich, dass sie eine Verabredung versäumt, bei der es um Ronja geht. Und was Vedanja und das Handy angeht, hat Ben ihre Zweifel nicht zerstreuen können. Immer noch hat Diana das Gefühl, dass sie es eigentlich

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