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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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führt mehr oder weniger direkt zum Erlengrund, wenn man ein bisschen klettert«, sagt Diana Westermann. »Das habe ich heute Morgen erst erkannt, als ich mir diese Karte angesehen habe, weil ich dieses Gebiet hier nächste Woche durchforsten lassen will.«
    »Der Besitzer des Handys könnte also der Täter sein.« Judith fühlt, wie ihr zum ersten Mal seit Tagen warm wird. Das ist, was sie so verzweifelt gesucht hat: eine Spur. Ein Grund, die Ermittlungen neu aufzurollen. Vom Schnellbachtal aus aufzurollen, wie sie es von Anfang an tun wollte.
    »Täterin«, sagt Diana Westermann in ihre Gedanken hinein. »Darshan ist vermutlich eine Frau. Eine Frau, die einmal im Sonnenhof gelebt hat.«
    »Ich muss mit ihr reden. Und ich brauche dieses Handy.«
    »Im Sonnenhof sagen sie mir, sie wüssten nicht, wo Darshan ist. Ich wollte deshalb das Handy zurückhaben – aber sie geben es mir nicht. Vielleicht haben Sie ja mehr Glück als ich.«
     
    ***
    Den ganzen Tag ist es Laura gelungen, ihm aus dem Weg zu gehen. Sie hat sich weggeduckt wie eine wilde Katze, hat sich zwischen den anderen versteckt und so getan, als sei sie beschäftigt. Erst als es dunkel wird, bekommt er sie allein zu fassen. Es regnet, niemand lässt sich draußen blicken, nur sie will offenbar über die Wiese laufen, zu ihren geliebten Schafen. Er stellt sich ihr in den Weg, packt wortlos ihren Arm und zerrt sie die Treppe hinauf in sein Zimmer. Sie sieht fürchterlich aus. Ihre Augen sind verweint, das Gesicht fleckig, die Haut um ihre Fingernägel aufgerissen und blutig. Merkwürdig leblos, mit hängenden Schultern, steht sie vor ihm, eine kaputte Marionette.
    »Ronja ist wieder da. Quietschfidel. Das soll ich dir von deiner Försterin ausrichten.«
    »Ehrlich? Seit wann?« Endlich sieht Laura ihn an.
    »Weiß ich nicht. Sie hat mittags angerufen und mich gebeten, dir das zu sagen. Aber du warst ja heute schwer zu kriegen.«
    »Ja. Tut mir Leid.«
    »Hier, du bist ganz nass.« Er wirft ihr ein Handtuch zu und schließt die Tür ab, während sie sich gehorsam die Haare trocknet. Er will sie haben, besitzen, glücklich machen, jetzt gleich. Er zündet Kerzen an, zieht die Vorhänge zu, löscht das Deckenlicht.
    »Letzte Nacht habe ich dich vermisst.«
    »Ich war bei Diana. Sie weiß so viel über den Wald. Und über Afrika.«
    Er nimmt Lauras Hände, streicht ganz vorsichtig Ringelblumensalbe auf die geschundenen Fingerkuppen. Fühlt, wie sie sich ein bisschen entspannt.
    »Ich glaube, ich will Försterin werden.«
    Etwas verknotet sich in seinem Magen, ballt sich zusammen zu eiserner Härte, wie eine Faust.
    »Nächstes Jahr, wenn ich 18 bin, könnte ich in Wipperführt oder Kürten aufs Gymnasium gehen und doch noch Abitur machen.«
    »Ich dachte, du willst hier wohnen bleiben, mit mir, und Schreinerin werden.« Er spricht viel lauter, als er will.
    Beunruhigt sieht sie ihn an. »Ich könnte doch auch hier wohnen, wenn ich zur Schule gehe.«
    »Und dann? Während des Studiums?«
    »Wenn wir uns wirklich lieben, dann schaffen wir das. Bestimmt schaffen wir das. Außerdem haben Studenten doch immer lange Semesterferien …«
    Die Faust tobt in seinen Eingeweiden. Unsere Liebe ist stark genug, warte auf mich, ich werde dich immer lieben – es ist wie ein verdammt mieses Déjà-Vu. Wie ein Idiot hat er damals auf Anna gewartet, seine erste Liebe, seinen Lichtengel, seinen Ausweg aus dem freudlosen Leben in der engen Wohnung, in der seine Mutter fremde Männer vögelte und die Halbgeschwister sich um die Fernbedienung des Fernsehers prügelten, sobald sie aus der Schule heimkamen. Wie ein Besessener hat er in der Lehre malocht und vor jedem Wochenende sein kleines WG-Zimmer für sie gewienert. Für Anna, seinen Engel. Bis sie eines Samstags nicht mehr zu ihm kam und am darauf folgenden auch nicht und auch nicht mehr in den Ferien, weil sie in ihrem feinen Internat Besseres zu tun hatte und schließlich irgend so einen reichen Typen kennen lernte. Ihr Vater erklärte ihm, als er nicht lockerließ, als er einfach nicht glauben wollte, dass Anna, seine Anna, ihn wirklich ernsthaft verlassen könnte, dass der Neue einer positiven Zukunft seiner Tochter nicht so im Weg stehen würde wie ein kleiner pickeliger Lehrling aus einfachsten Verhältnissen.
    »… und vielleicht könnte ich auch ein Praktikum bei Diana machen und dann hätte ich auch einen Hund und wir könnten zusammen mit meinem Hund spazieren gehen und mit Ronja, die magst du doch auch, und …«
    Wie

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