Der Wald: Roman
versteckt sich dahinter. Manchmal ist es bloß schwierig, damit umzugehen.«
»Sieh es von der positiven Seite – zumindest wird sie nicht hysterisch.«
»Ja, das ist wohl ein Segen, auf eine Art. Okay. Was ist mit Benny?«
»Ich würde sagen, er ist sehr fantasievoll und empfindsam und kommt mit der Situation erstaunlich gut klar. Ich wäre mit den Nerven am Ende, wenn ich so etwas durchmachen müsste. Und so erginge es den meisten Leuten. Sie würden völlig ausflippen.«
»Glaubst du, es ist wirklich geschehen?«
»Ja.«
»Alles?«
»Ja.«
»Und wie erklärst du dir …«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nichts davon erklären. Deswegen wäre ich auch ausgerastet, wenn ich es erlebt hätte. Ich glaube, Benny hat gewissermaßen Glück, dass er es auf den Fluch schieben kann. Das gibt ihm einen Bezugsrahmen, um damit fertigzuwerden. In der Welt der Flüche und der Magie kann alles passieren, nichts ist unlogisch.«
»Aber du glaubst nicht an das Zeug?«
»Das Entscheidende ist, dass Benny daran glaubt. Es ist Teil seiner Realität. Deshalb ergibt die Sache in der Bibliothek für ihn einen Sinn. Wer weiß, wie er sonst reagiert hätte.«
»Hör zu, wir glauben nicht an den Quatsch. Ich jedenfalls nicht. Wie soll ich herausfinden, was geschehen ist?«
Karen grinste verschmitzt. »Rede dir einfach weiter ein, dass es eine logische Erklärung geben muss. Schreib es fünfzigmal auf die Tafel.«
»Was meinst du?«
»Es muss eine logische Erklärung geben.«
»Zum Beispiel?«
»Ich hab keinen blassen Schimmer.«
Scott lachte. »Du bist wirklich eine große Hilfe.«
Sie trank den letzten Schluck ihrer Bloody Mary.
»Nachschub?«, fragte Scott.
»Klar. Warum nicht? Während du weg bist, kann ich mir vielleicht eine Theorie zurechtlegen.«
»Versuch es«, sagte er. »Gib dir Mühe. Ich würde eine solide, bodenständige Erklärung wirklich zu schätzen wissen.«
»Gut. Ich arbeite daran.«
Er beugte sich über sie, um ihr das Glas abzunehmen, und küsste sie sanft. Dann ging er ins Haus. Anstatt zur Küche lief er über den Flur zu Julies Zimmer. Ihre Tür stand offen. Sie lag mit Kopfhörern unter dem Bruce-Springsteen-Poster auf dem Bett und starrte an die Decke. Als sie ihn eintreten sah, nahm sie den Kopfhörer ab. »Hey«, sagte Scott, »tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe.«
Sie antwortete mit einem Schulterzucken.
»Ich schätze, wir sind alle ein bisschen angespannt.«
»Schon gut«, sagte sie.
»Warum rufst du nicht Nick an und fragst ihn, ob er früher kommen und mit uns zu Abend essen will? So gegen fünf? Ich grille ein paar Steaks.«
»Okay«, sagte sie mit einem angedeuteten Lächeln. »Das wäre schön. Ich frag ihn.«
»Gut.«
In der Küche nahm Scott ein zusätzliches Steak aus der Gefriertruhe. Dann mixte er die Bloody Marys und nahm sie mit nach draußen. Nach der klimatisierten Luft im Haus genoss er die Wärme der Sonne. Karen stand neben ihrem Stuhl und zog gerade die Bluse aus, als er sich von hinten näherte. Sie trug denselben knappen schwarzen Badeanzug wie in den Bergen. Bis auf die überkreuzten Träger war ihr Rücken bis zur Hüfte nackt.
»Nimmst du ein Bad?«, fragte Scott.
Sie grinste ihn über die Schulter an. »Lieber einen Drink.« Sie hängte ihre Bluse über die Lehne des Liegestuhls.
Scott reichte ihr das Glas, und sie setzten sich. »Ich steh auf dein Outfit«, sagte er.
»Schmeichelt es meinen Blutergüssen?«
Die Prellungen hatten gelb-grüne Flecken auf der gebräunten Haut der Schultern, Brüste und Arme hinterlassen. Die Zahnabdrücke waren dunkler als die verfärbte Haut um sie herum. Während er die Verletzungen betrachtete, kehrte die Erinnerung an die schreckliche Nacht zurück – als er sie reglos im Zelt gefunden hatte, als er nicht gewusst hatte, ob sie lebendig oder …
»Musst du mich so anstarren?«
»Ich kann nicht anders«, sagte er lächelnd. »Du bist fast nackt.«
»Du starrst auf meine Verletzungen.«
»Nein, auf deine vollen, festen Brüste.«
Sie lachte, trank einen Schluck, hielt das Gesicht in die Sonne und schloss die Augen.
»Ich habe mit Julie gesprochen. Sie lädt Nick ein, mit uns zu Abend zu essen.«
»Ah, das ist schön.«
»Noch schöner ist, dass die beiden heute ausgehen. Wenn ich Tanya dazu kriege, mit Benny ins Kino zu gehen oder so …«
»Meinst du, das wäre eine gute Idee?«
»Klar. Wir hätten ein paar Stunden allein für uns.«
»Es könnte besser für ihn sein, zu Hause zu
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