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Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget

Titel: Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Tessendorf
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wie. Da müssen ganz schön die Fetzen geflogen sein.«
    Olga sah auf. »Sagt das dein Informant?«
    Ines nickte. »Das hat Hanna ausgesagt.«
    »Ja, aber   …«, Olga dachte nach. »Worüber sollten die sich gestritten haben   … und   … warum hat die Polizei nicht Luis in die Mangel genommen?«
    »Oh, das haben sie. Aber er hat ein glaubwürdiges Alibi. Er war zum Zeitpunkt im ›Luis‹, er hat gearbeitet.Blätter mal um«, sagte Ines ruhig. Sie hatte Olga die ganze Zeit aufmerksam beobachtet.
    Auf der nächsten Seite stand Heinrich Hagenberg im Zentrum.
    »Mit dem stimmt was nicht«, sagte Ines.
    »Aber da steht ja
dein
Name!« Olga erschrak.
    Ines nickte. »Juli hatte meinen Namen notiert. Sie wollte beim Klassentreffen über irgendetwas mit mir reden. Aber sie ist nicht mehr dazu gekommen.«
    »Über Hagenberg?«
    »Vielleicht.«
    Ines zündete sich die Zigarette an, die sie die ganze Zeit in der Hand gehalten hatte.
    »Ich habe meine Kollegin in Berlin eingeschaltet. Anne ist eine Freundin. Ich habe sie gebeten, alles zum Thema Hagenberg zu recherchieren, was sie finden kann.«
    »Sein Verschwinden hat damals ziemliche Verwunderung ausgelöst – sagt Robert zumindest«, erwiderte Olga.
    Ines sah sie erwartungsvoll an. »Kann er sich an Hagenberg erinnern?«
    »Gut sogar. Er sagte, dass sich alle gewundert hätten, dass er ausgewandert sei, obwohl er einen leitenden Posten bei Vincent bekommen sollte. Was ist mit seiner Familie?«
    »Keiner mehr da, der Auskunft geben könnte. Olga, wann genau ist dein Onkel eigentlich verunglückt?«
    »Vor dreißig Jahren.«
    »Geht’s nicht genauer?«
    Olga zuckte die Schultern. »Er ist noch am Unfallort gestorben. Das Datum steht auf dem Grabstein.«
    »Ist das weit?«
     
    »›Selig sind, die da hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden.‹ Ruben Gernot Ambach. Er ist vor genau dreißig Jahren gestorben.« Ines betrachtete den Grabstein.
    Auch Olga schaute auf das Grab und erst nach einer Weile fielen ihr die Blumen auf. »Jemand hat ihm Lilien aufs Grab gestellt.« Sie dachte an ihre Zeichnung. Und an die Lilie daneben.
    Ines ging in die Hocke und zog die Vase heraus. »Die brauchen frisches Wasser.«
    »Er ist achtunddreißig geworden«, sagte Olga.
    »Ja. Wir haben schon zwei Jahre mehr geschafft«, meinte Ines und sah sich nach einem Wasserhahn um.
    »Weißt du, was ›Ruben‹ bedeutet?«, fragte Olga, als Ines die Vase mit frischem Wasser zurückgestellt hatte. »Ruben bedeutet ›Sehet, ein Sohn‹.«
    »Tja«, sagte Ines. »Vincent und seine Söhne. Er hatte sich bestimmt alles ganz anders vorgestellt.«
    Neugierig blickte sie zu Olga und wartete auf eine Reaktion. Doch Olga sah sie nur fragend an. »Du kanntest deinen Onkel nicht besonders, oder?«
    »Doch   … Wieso? Was meinst du denn?«
    »Jetzt sag nicht, du hattest keine Ahnung, dass Ruben homosexuell war?«, fragte Ines erstaunt.
    Olga starrte auf den Grabstein. Dann sah sie auf. »Woher weißt du das?«
    »Aus Julis Aufzeichnungen.«
    »Woher wusste sie   …« Olga ließ sich langsam vor dem Grab nieder und starrte auf den weißen Marmorstein.
    Ruben Gernot Ambach. Sein Duft, der Geruch nach Sandelholz, diese zarten Hände, seine weiche, warme Stimme   … Oh Gott, so zart. Wie musste Vincent das alles gehasst haben.
    »Das war für deinen Großvater das Allerletzte«, schloss Ines. »Der eine pfeift auf die Tradition und führt das Lebenswerk seines Nachbarn fort und nicht das des eigenen Vaters, der andere treibt sich in Schwulenbars herum.«
    Olga schlug die Hände vor ihr Gesicht. Sie atmete tief durch. Dann begann sie zu lachen. Sie lachte so laut, dass zwei alte Frauen, die ein paar Gräber weiter standen, verärgert zu ihnen herüberschauten.
    Ines blickte auf ihre Uhr. »Du solltest mal mit deinem Vater sprechen. Wann ist die Oper zu Ende?«
    »Bald.«
    Sie sind schon alt und bleich statt rot!
    Und ihre Liebsten, ach, sind tot!
    Auf der Bühne war die Hölle los. Die komplette Mannschaft Kapitän Dalands feierte in wilden und ausgelassenen Tänzen die Rückkehr in den sicheren Heimathafen. Im Hintergrund lag dunkel und bedrohlich das verlassene Geisterschiff des Holländers.
    Thorvald war wieder zur Bühne zurückgegangen und stand am seitlichen Rand, hinter der Kulisse. Das Parkett lag im Dunkeln, doch Thorvald bemerkte trotzdem die Unruhe, die in der zweiten Reihe herrschte. Ein Zuschauer nach dem anderen musste aufstehen, um Vincent Ambach, schwer

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