Der Wald Steht Schwarz Und Schweiget
entgegen.
»Sie hatten mir doch Ihre Nummer gegeben.«
Olga erinnerte sich und hätte am liebsten gesagt, dass sie das nicht mehr interessierte.
»Sind sie noch dran?«, fragte Elise zögernd.
»Ja …«
»Sie sollten wissen …, Ihr Großvater hat vor einer Stunde den Ruisdael verbrannt.«
Olga schloss die Augen und atmete tief durch. »Waren Sie dabei?«, fragte sie tonlos.
»Ich kam gerade herein, als er und Frau Himmelreich den Salon verließen. Sie war ganz aufgelöst. So habe ich sie noch nie gesehen.«
»Und mein Großvater?«
Es dauerte einen Moment, bis Elise wieder sprechen konnte.
»Ihm hätte man nichts angemerkt. Ich wunderte mich nur über das Knacken im Feuer und sah dann das Bild … Allmächtiger … Warum tut er so etwas?« Elises Stimme zitterte. »Was ist nur mit ihm?«
Olga hatte den Eindruck, dass Elise sich ohnehin Sorgen um ihren Großvater machte, unabhängig von dem Vorfall mit dem Bild. Sie hatte schließlich ihr ganzes Leben für ihn gearbeitet, war mit ihm zusammen alt geworden.
»Er … er ist so anders. Ich kenne ihn gar nicht mehr wieder. Er …« Sie machte eine lange Pause. »Er will gar nicht mehr leben. Das spüre ich ganz deutlich.«
»Und Frau Himmelreich?«, fragte Olga.
»Sie ist fast nur noch an seiner Seite. Seit sie ihr Zimmer hier hat.«
»Sie wohnt bei Vincent?« Das war Olga neu.
»Sie hat sich eines der Gästezimmer hergerichtet«, sagte Elise. »Ich weiß gar nicht, ob sie ihre Wohnung in der Stadt noch hat.«
»Elise, sagt Ihnen der Name Hagenberg etwas?«
»Hagenberg?« Sie dachte einen Augenblick nach. »Hagenberg. Meinen Sie Heinrich Hagenberg?«
»Was wissen Sie über ihn?«, fragte Olga.
»Heinrich Hagenberg hat doch bei Ambach gearbeitet. Sie waren noch klein, Sie können sich bestimmt nicht mehr erinnern.«
»Heini, der Kinderschreck!«
»Ja, ich glaube, das trifft zu.«
Olga hörte, dass Elise schmunzelte.
»Wie kommen Sie auf Herrn Hagenberg?«, fragte Elise. »Der ist doch schon so lange fort.«
»Was ist denn aus ihm geworden?«
»Er hat Deutschland damals verlassen, glaube ich.«
»Hat Juliane mit Frau Himmelreich über ihn gesprochen?«
»Das weiß ich leider nicht.«
»Danke, Elise und … machen Sie sich keine Sorgen um meinen Großvater. Er ist neunzig und er ist müde. Damit müssen wir nun mal leben.«
Der kleine Stein knallte direkt vor Olga an die Scheibe. Sie zuckte zusammen und wischte sich schnell die Tränen aus dem Gesicht, als Ines‘ blonder Schopf an der Terrassenmauer auftauchte.
»Was ist?«, fragte sie, als sie neben Olga stand.
Olga konnte nicht antworten.
»Thorvald?« Ines holte tief Luft. »Vergiss ihn. Mit dem wird keine glücklich. Der denkt nur an sich.« Ines wartete einen Moment und schaute aus dem großen Fenster in den verregneten Garten. »Sie haben übrigens eben gerade Robert Hunter festgenommen.«
Olga schloss die Augen. Obwohl sie Ines’ nüchterne Art manchmal schwierig fand, in diesem Moment liebte sie Ines dafür. Dafür, dass sie nicht versuchte, sie zu trösten, ihr Mut zuzusprechen oder sie mit eigenen leidvollen Erfahrungen abzulenken versuchte.
»Wo?«
»In deiner Hütte. Dieser Trottel!«
Olga erschrak. »In meiner Hütte?«, wiederholte sie leise. »Das heißt doch … er wusste wirklich nicht mehr, wohin er sollte.« Sie sah Ines an. »Ich hatte geglaubt, dass er auf ein gut funktionierendes Netzwerk von Fälscherkollegen zugreifen kann, die ihn sicher außer Landes bringen.«
»Du und deine verklärte Weltsicht«, sagte Ines ärgerlich. »Also, was hast du entdeckt?«
Olga musste niesen. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass sie immer noch in den nassen Klamotten steckte. Sie warf die Regenjacke auf einen Stuhl, nahm die Fotos aus ihrer Handtasche und reichte sie Ines.
»Warst du dabei?«, fragte sie. »Beim Klassentreffen, meine ich, als Benno die Bilder hier herausgesucht hatte?« Ines nickte. »Aber warum hat Juli diese Bilder mitgenommen und dann so gut versteckt?« Olga setzte sich neben Ines. »Ich hatte ein Foto von Ruben auf ihrem Schreibtisch gesehen. Aber diese hier … Was wollte sie damit? Die haben nichts mit der Familienchronik der Ambachs zu tun.«
Olga erhob sich wieder und ging ans Fenster. Der Regen hatte nachgelassen, die Wolken verzogen sich langsam und ließen einige tiefblaue Himmelsflecken leuchten. »Ich habe eben noch mit Robert gesprochen.«
»Das dachte ich mir.« Ines sah nicht von den Bildern auf.
»Er sagte, seine
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