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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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Kategorie Schauspieler, die in Fernsehzeitschriften auftauchen, bereitwillig für die Regenbogenpresse posieren und sich zum ‹Sexiest Man of the Year› küren lassen. Er ist einer, der vollkommen mühelos die Aufmerksamkeit der Journalisten auf sich zieht, vor allem die der weiblichen. Wegen seines südländischen Aussehens, diesem leicht verwegenen Look. Goldbrauner Teint, dunkles Haar, weiße Zähne und glitzernde Augen. Ein Latino-Blick, der alles, was er sieht, verschlingt, und sich gerade noch zu beherrschen weiß, ehe er sich abwendet. Lächelnd, verspielt, forsch. Er hat keine Hintergedanken dabei, aber er beherrscht dieses Spiel. Und er überlässt es ihnen, sich Dinge auszumalen. Manchmal bringt ihm das auch eine Rolle ein. Aber dass er einmal den Hamlet bekommen würde, war unvorstellbar – obwohl er ein Profi ist und normalerweise alles, was auf der Bühne verlangt wird, im Repertoire hat. Neben seinem Charme und dem außergewöhnlichen Talent, Repliken so abzuliefern, dass sie frecher, lustiger und intelligenter erscheinen, als sie eigentlich sind, hat er eine Regie und eine Choreographie im Kopf, die häufig weitreichender sind als die des Regisseurs. Er legt ein Selbstbewusstsein an den Tag, das sich sogar in der Betonung der einzelnen Silben niederschlägt, in jeder noch so kleinen Regung bis hin zu den Augenbrauen.
    Noch nie hat er so hart an einer Rolle gearbeitet, sich noch nie so bemüht und sich trotzdem noch nie so wenig wert gefühlt. Er hat so sehr nach dem Charakter gesucht, tief drinnen in seinem eigenen undefinierbaren Sumpf, und als er ihn endlich fand, war dafür etwas anderes verschwunden. Es riss ihn dermaßen mit, dass er kaum noch in der Lage war, zwischen sich und der Rolle zu unterscheiden. Da war nur noch sein eigenes nacktes und jämmerliches Ich – aller Ausstrahlung, Selbstbeherrschung und jeglichen Charmes beraubt, auf dem seine Rollen normalerweise basierten. Nicht mehr imstande zu sehen, was er
eigentlich
tat. Als wäre er nicht mehr Herr seiner selbst. Als hätte jemand anders die Kontrolle übernommen.
    Wieder klingelt das Telefon.
    «Ist alles in Ordnung?», fragt sie. «Hast du Lukas gefunden?»
    «Er hatte sich versteckt. Aber jetzt ist er hier. Ich kann ihn sehen, er spielt draußen auf der Wiese, läuft im Kreis herum, mit einem Stock in der einen und dem Hund in der anderen Hand.»
    «Und du?», sagt sie.
    «Ich?», sagt er.
    «Geht es dir gut?»
    «Ja, klar.»
    «Es sollte dir gutgehen. Du hast ja wohl im Internet nachgeschaut», sagt sie. «Sie sind phantastisch.»
    «Was denn?»
    «Na, die Kritiken!
Dagbladet, Aftenposten, Dagsavisen.
Sogar
Dagens Nyheter
war da. Du hast noch nie so gute Kritiken bekommen. So eindeutige.»
    «Die Vorstellung war nicht gut.»
    «Sie sind euphorisch, Robert.»
    «Es war schlecht. Ich war schrecklich.»
    «Du bist der beste Hamlet, den sie je gesehen haben.
Du
bist
die Vorstellung, Robert.»
    «Hörst du mir nicht zu? Der Hamlet ist nicht gut!»
    Er bemerkt, dass er viel zu laut spricht.
    «Robert, was ist los mit dir?»
    «Nichts.»
    «Du weinst doch nicht etwa?»
    «Weinen? Ich?», sagt er und lacht gezwungen, ehe er schwer schluckt und sich über die Augen wischt. Gut, dass sie ihn nicht sehen kann.
    Er muss wieder er selbst werden, der mit dem smarten Humor und den lustigen Gesichtern, der sie so zum Lachen bringt, dass sie nicht aufhören kann. Der, den sie begehrt. Er muss den Zweifel besiegen, der sich in ihre Stimme geschlichen hat. Es ist nichts. Alles ist in Ordnung. Er muss sich konzentrieren. Auf sie.
    «Wie war es?», fragt er.
    «Wie war was?», fragt sie zurück.
    «Stockholm. Die Konferenzen. Die Arbeit.»
    «Gut», sagt sie. «Hat alles gut geklappt. Ihnen hat das neue Coverdesign gefallen.»
    «Wie schön», sagt er.
    Einen Moment herrscht Schweigen.
    «Ist irgendwas passiert, seit ich weg bin?», fragt sie.
    «Passiert?», sagt er und gibt einen kleinen Lacher dazu. Das kann er noch immer gut.
    «Ich merke doch, dass irgendwas mit dir ist. Dass du nicht mehr du selbst bist.»
    Jetzt hat er die Chance, jetzt kann er es ihr erzählen.
    «Ich habe es am Wochenende gemerkt, als wir zusammen waren», sagt sie. «Hab immer wieder versucht, mit dir zu reden, aber dann … Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass du eine Rolle spielst?»
    «Ich weiß nicht, warum du fühlst, wie du fühlst, Liebling.»
    Unsinn. Natürlich weiß er es. Er hat immer eine Rolle gespielt, schon von Kindesbeinen an. Der kleine Junge mit

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