Der Wald wirft schwarze Schatten
dem dunklen Teint, das Maskottchen der Wohlstandsfamilie auf Östermalm. Eltern adeliger Abstammung und tonnenweise klassische Bildung. Aber er war nicht ihr eigener Spross, lediglich adoptiert. Dieses Etikett wurde er nicht los, es haftete bilderbuchmäßig an ihm: ein Findelkind, verschickt mit einem Schild um den Hals, darauf eine Nummer. Die weißblonden Geschwister hatten ihn schon beizeiten spüren lassen, dass er eigentlich nicht zu ihnen gehörte. Vielleicht hatte er deshalb schon als Kind immer das Gefühl gehabt, sich seinen Platz in der Familie verdienen zu müssen. Als könnte er ihn verlieren und in sein altes Zuhause zurückgeschickt werden. Vielleicht war er deshalb mit der Zeit der kleine Entertainer der Familie geworden. Er machte seine Sache gut, schaffte es, die Rolle seinem Alter anzugleichen, sodass er niedlich blieb, obwohl er größer wurde. Sein Aussehen trug dazu bei, er sah Gott sei Dank gut aus.
Er hat ein phantastisches Durchhaltevermögen an den Tag gelegt, hat die Maske bis jetzt gehalten, bis dieser gottverdammte Regisseur sie ihm heruntergerissen hat. Was bleibt, wenn er mit einem Mal versagt? Er fühlt sich so leer. Möglicherweise ist er in Wirklichkeit genau das: eine Hülle ohne Kern.
«Robert, bist du noch dran?»
«Ja.»
Wieder spürt er, wie sich ihm die Kehle zuschnürt, will am liebsten auflegen, aber das geht natürlich nicht. Das würde sie nur missverstehen. Er greift nach seiner Jacke, die über einem Stuhl hängt, öffnet die Tür und geht hinaus auf die Veranda. Er starrt in den Garten, wo Lukas noch immer auf der Wiese spielt und mit dem Stock gegen unsichtbare Feinde kämpft.
«Du bist so abwesend», sagt sie und wartet einen Moment, ehe sie fortfährt: «Hast du jemanden kennengelernt?»
«Jemanden kennengelernt? Wen denn?»
Ihre Stimme wird hart. «Du weißt, was ich meine, Robert. Eine Frau.»
«Nein.»
«Ich merke doch, dass etwas nicht in Ordnung ist. Warum sagst du mir nicht einfach die Wahrheit?»
Sie glaubt, er sei untreu. Er
muss
es ihr erzählen.
«Okay», sagt er und holt tief Luft. «Gestern ist etwas passiert. Auf der Premiere. Aber nicht, was du denkst. Das – also, ich habe es selbst nicht richtig kapiert. Die Proben waren wirklich hart. Du glaubst gar nicht, wie hart.»
«Was ist denn passiert?», fragt sie.
Kann er ihr wirklich sagen, dass ihm eine Sicherung durchgebrannt ist? Vielleicht ist er sogar bereits verrückt. Niemand will mit einem Verrückten zusammen sein. Er steckt eine Hand in die Tasche und tastet mit den Fingern nach einer Zigarette. Hatte er nicht gestern noch eine Schachtel Zigaretten? Aber er findet nur ein zusammengefaltetes Papier. Er zieht es hervor, betrachtet es. Es ist ein alter Briefumschlag, mit zitternder Hand beschriftet. Einen Augenblick guckt er ihn verständnislos an, dann erinnert er sich an diesen bizarren Zwischenfall auf der Premierenparty.
«Was ist passiert?», fragt Anna erneut. Sie ist ungeduldig. «Jetzt sag schon!»
«Also, wie gesagt, da ist etwas Komisches passiert», beginnt er so munter wie nach einem Wetterumschwung. Das ist die Rettung. Er merkt, dass er wieder fröhlich klingt. «Da kam jemand auf der Party vorbei.»
«Welcher Party?»
«Auf der Premierenfeier.»
«Wer war denn dort?»
«Lebensgefährten und Ehefrauen. You know.»
«Ich hätte bei dir sein sollen.»
«Vergiss es», sagt er leichthin. «Du kannst dir die Vorstellung ein anderes Mal ansehen.»
«Und wer ist vorbeigekommen?»
«Eine Frau.»
«Ich wusste es doch. Du hast eine andere.»
Er lacht. Diesmal ist sein Lachen echt. «Ja, ich habe eine Frau.»
«Verdammt noch mal, Robert.»
«Ich habe dich.»
«Mach dich nicht über mich lustig.»
Er hört, dass sie weint.
«Ich wusste, dass es irgendwann so kommen würde. Sie laufen dir ja die ganze Zeit in Scharen nach.»
«Du irrst dich, my love. Es war eine alte Frau.»
«Wie alt?»
«Uralt. Über achtzig.»
«Soso.»
«Ehrlich. Am schlimmsten war, dass sie geglaubt hat, sie würde mich kennen.»
«Du hast ein bekanntes Gesicht. Die Leute glauben, dass sie dich kennen, weil sie dich im Fernsehen gesehen haben.»
«Das stimmt. Aber diese Frau hat überhaupt nicht lockergelassen. Sie hat sich buchstäblich an mir festgekrallt. Sie hat fest meine Hände umklammert. Und dann hat sie mir ewig in die Augen gestarrt. Das war total unangenehm.»
«Wie traurig.»
«Für sie oder für mich?»
«Sie natürlich», sagt Anna mit vorwurfsvoller Stimme.
«Klar», sagt
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