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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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Zigeunerkind bringt nichts zustande, weißt du. Zigeuner sind leidenschaftlich und von Gefühlen getrieben, von ihrem wilden, flüchtigen Blut. Zigeuner reisen von Ort zu Ort, von Blume zu Blume.
    Ob er sich jemals von dem Gedanken eines angeborenen Charakterfehlers befreien wird, obwohl er weiß, dass es so etwas eigentlich nicht gibt?
    «Deinem wahren Ich entkommst du nicht», sagte sein Vater immer. «Dein wahres Ich, das dich im tiefsten Inneren und bis in die kleinste Zelle ausmacht, wird dich immer verfolgen. Es ist das Entscheidende.»
    «Aber wer bin ich denn?», hatte er einmal gefragt.
    Er hatte auf dem Patientenstuhl in der Praxis seines Vaters gesessen. Der Vater thronte in seinem weißen Arztkittel und mit der silbernen Brille vor den grauen Augen am Schreibtisch.
    «Wer bin ich
eigentlich

    Sein Vater war dabei, etwas in einer Patientenakte zu notieren. Schließlich sah er mit einem kurzen, kühlen Blick auf.
    «Wer weiß? Vielleicht findest du es heraus. Vielleicht nicht. Dein Charakter ist jedenfalls nicht so stark ausgeprägt wie der deiner Geschwister.»
    Er konnte es nicht glauben. Aber im Innersten spürte er, dass es stimmte. Er war ein Drückeberger, einer, der sich wegduckte, einer, der lügen konnte. Einer, der auf der Welle seines Charmes, des breiten Lächelns und der glitzernden Augen surfte. Und darunter verborgen lag die tiefe Angst und knurrte, dass sie ihn eines Tages für zu leicht und schwach befinden und keinen Grund mehr sehen würden, ihn zu behalten, und sie würden ihn dorthin zurückschicken, wo er hergekommen war. Und doch gelang es ihm nicht, ausreichend Stärke aufzubauen. Er leistete nie wirklich gute Arbeit, ging mit mittelmäßigen Noten von der Schule ab. Das Einzige, das er beherrschte, war das Theaterspielen. Aber in den Augen der Eltern war das ja nichts
Richtiges
. Hatte nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Nur Spiel und Phantasie.
    Wenn es aber darum ging, an die frische Luft zu kommen, halfen ihm weder Charme noch ein schwacher Charakter. Obwohl er alle denkbaren Ausreden erfand und Krankheit simulierte, gab es kein Entrinnen. Er musste zu den Pfadfindern. Raus in den Wald bei Wind und Wetter. Und je älter er wurde, umso länger wurden die Touren. Er gehörte nie zur Vorhut, war nie aufgeregt oder eifrig dabei. Normalerweise ließ er sich immer zurückfallen, achtete aber darauf, dass er nicht als Letzter ging, denn er hatte Angst, die anderen zu verlieren. Er marschierte mit schweren Schritten und noch schwererem Herzen, während er sich vor Heimweh nach der großen Wohnung in der Stadt verzehrte. Was hatte er hier draußen im Nirgendwo zu suchen? Versuchten die Eltern, ihn loszuwerden? Würden sie fort sein, an einen unbekannten Ort verreist, wenn er nach Hause kam? Vielleicht war der ganze Wohnblock verschwunden, im Boden versunken oder zusammengefaltet zwischen den anderen Vierteln, als wäre er nie dagewesen.
    Das Ziel der Unternehmung, das, worauf sich alle anderen unterwegs am meisten freuten – die Vorbereitungen, dort draußen
zu übernachten
, ein Lager aufzuschlagen, die Zelte aufzubauen, ein Feuer anzuzünden –, mochte er am wenigsten. Und am Ende eines Tages, wenn die Flammen gelöscht waren und die Dunkelheit sie vollständig umgab, mussten sie alle ins Zelt kriechen und schlafen! Selbst wenn er dicht neben den anderen lag, fühlte er sich nicht sicher. Die Zeltwand war viel zu dünn, sie bot keinen Schutz vor dem, was draußen lauerte.
    Dann lag er da und hörte den Wind. Wie er pfiff und heulte, wie eine kranke Stimme. Der Regen trommelte gegen den Stoff, als wollte er herein. Und er drang wirklich herein und durchweichte im Laufe der Nacht den Schlafsack. Äste und Zweige kratzten am Stoff, als drohten sie damit, das Zelt zu zerreißen. Wie es dort draußen in der Dunkelheit rumorte, als wären dort große gefährliche Tiere. Wölfe und Bären, Dachse und Luchse. Die Augen der anderen Jungen begannen immer zu leuchten bei dem Gedanken an die Raubtiere, die dann Gott sei Dank von den Betreuern immer zu Mäusen, Eichhörnchen oder höchstens einem Hasen reduziert wurden.
    Wenn er endlich einschlief, war sein Schlaf so dünn wie Pergamentpapier. Er wachte immer im frühen Morgengrauen lange vor den anderen auf. Dann lag er da und lauschte den Vögeln. Beim Sonnenaufgang sangen sie auf eine ganz eigene Art und Weise. So heftig und so laut. Wer konnte schon wissen, was sie wollten? Obwohl er pinkeln musste, traute er sich nicht aufzustehen. Und

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