Der Wald wirft schwarze Schatten
Farben, ebenso Seidenschlipse und eine ansehnliche Wildlederjacke. Gucci. Diverse teure Sonnenbrillen. Aber irgendwo muss doch noch eine alte scheußliche Allwetterjacke rumliegen. Und ganz unten im Schrank, im hintersten Haufen, liegen die beiden Levi’s-Jeans, seine Hosen für die Gartenarbeit. Die eine zieht er an und sucht aus einer Schublade einen abgetragenen Collegepullover heraus.
Er geht in Lukas’ Zimmer. Der Junge ist gerade dabei, einen Berg Legosteine in seinen Rucksack zu kippen.
«Was machst du denn da?», fragt Robert.
«Ich packe.»
«Willst du Lego mit auf den Ausflug nehmen?»
«Wenn wir eine Pause machen und es langweilig wird.»
Robert nimmt Lukas den Rucksack ab und schaut hinein. Zwischen den Legosteinen blickt ihm der große Kuschelhund entgegen. Er zieht ihn heraus, sodass die Steine auf den Boden fallen.
«Du machst alles kaputt!»
«Du musst Kleider in deinen Rucksack packen.»
«Aber dann ist kein Platz mehr für Wolf.»
«Ganz genau.»
«Ich habe doch Kleider an, Papa. Guck, ich habe alles angezogen.»
«Du brauchst ein paar Sachen zum Wechseln, weißt du? Wenn du nass wirst oder frierst.»
Robert öffnet Lukas’ Kommode und nimmt eine Strumpfhose, einen Wollpulli und eine Hose heraus. «Echte Entdecker nehmen nur das Allerwichtigste mit.»
Wie schlau er ist, wie gut darin, die große Expedition auf glaubhafte Weise vorzubereiten.
«Wolf ist wichtig!», schnieft Lukas.
«Wolf muss zu Hause bleiben. Jemand muss doch auf das Haus aufpassen, während wir weg sind.»
«Der kann doch gar nicht auf das Haus aufpassen. Er ist doch nur ein Spielzeughund!»
Robert seufzt. «Hol deine Gummistiefel und die Regensachen und pack sie in den Rucksack.»
Er geht aus dem Zimmer, auf den Dachboden, sucht seinen Rucksack heraus, die Schlafsäcke und das Zelt. Kurz hat er seinen Norwegerpulli in der Hand, legt ihn aber zurück. Für so einen kleinen Ausflug muss man ja wirklich nicht die halbe Welt mitschleppen. Er geht hinunter in die Küche, füllt ein paar große Sprudelflaschen mit Wasser und packt sie in seinen Rucksack, dazu das Brotmesser, das Buttermesser und zwei Plastikbecher.
Mit dem Rucksack in der Hand kommt Lukas die Treppe herunter, wieder strahlend vor Zufriedenheit.
«Jetzt habe ich fertiggepackt», sagt er.
«Super!»
Was für ein Stimmungswandel, denkt Robert. Gott sei Dank. Es ist nicht gerade ein Spaß, ein schlecht gelauntes Kind in den Wald zu schleppen, wenn man selbst, vorsichtig ausgedrückt, nicht gerade heiß auf die Tour ist.
«Kann ich den Rucksack schon mal ins Auto tun?»
«Ja, mach das.»
Lukas bringt den Rucksack ins Auto und kommt wieder herein.
«Papa, denkst du an die Schatzkarte?»
«Na klar.»
«Zeig mal!»
Robert holt die Karte hervor und reicht sie ihm.
«K-r-o-k-s-j-ø-e-n», liest Lukas. «Das ist ein See.»
«Ja, scheint so.»
«Er heißt Kroksjøen. Vielleicht weil er ein bisschen verwinkelt ist? Aber auf der anderen Seite von dem dicken lila Strich, der quer durch den See geht, steht ‹Kroksj›, und dann ist da so ein O mit zwei Pünktchen obendrüber. Was ist das für ein Buchstabe, Papa? Den haben wir in der Schule nicht gehabt.»
«Nein, wohl noch nicht. Das ist ein schwedisches Ö. Wenn wir zurück nach Stockholm ziehen und du auf einer schwedischen Schule anfängst, wirst du richtig lesen lernen.»
«Ich kann
richtig
lesen.»
«Nicht die schwedischen Buchstaben.»
«Ich kann auch Karten lesen.»
«Da bist du früh dran.»
«Ach, jetzt weiß ich», sagt Lukas. «Der dicke lila Strich mitten auf der Karte, der durch den See geht, das ist die Grenze!»
«Soso.»
«Siehst du? Auf dieser Seite, das ist Norwegen. Und das da, das ist Schweden.»
«Gib mir die Karte.»
«Guck mal das Kreuz, Papa. Das ist direkt an der Grenze! Und der kleine See heißt Igletjern. Ob es da Egel gibt?»
«Gib mir jetzt mal die Karte.»
«Ich hab schon mal Egel gesehen, Papa. Im Fernsehen. Die sahen genauso aus wie Schnecken, aber dann haben sie sich am Arm von dem Mann festgesaugt. Sie haben sein Blut ausgesaugt.»
«Pfui Teufel.»
Robert greift sich die Karte, faltet sie zusammen und steckt sie schnell in den Rucksack.
«Wie wird das Wetter, Papa? Bevor wir fahren, müssen wir doch wissen, wie das Wetter wird, oder?»
«Ich kann gleich mal nachsehen.»
Robert setzt sich an den Computer und klickt sich zur Seite von
yr.no
. Das schöne Wetter bleibt. Für Oslo wird klares Wetter mit Sonnenschein und vierzehn Grad vorhergesagt. Am
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