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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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vorläufig ist es noch lange hin. Es ist erst zwei Uhr. Aber wann geht die Sonne unter? Verdammt, er hat vergessen, nachzuschauen, bevor sie aufgebrochen sind.
    «Nicht so lange, wie du glaubst», sagt Robert. «Komm jetzt.»
    Lukas seufzt, steht auf und nimmt Roberts Hand. Sie gehen tiefer in den Wald hinein. Er ist unberührt. Überall liegen umgestürzte Bäume in unterschiedlichen Stadien der Verrottung, teilweise von einem Moosteppich bedeckt. Die Sonne fällt in schrägen funkelnden Säulen durch die hohen Kiefern. Säulen, die in leuchtenden, knallgrünen Flecken auf den Waldboden und das Moos treffen. Es ist doch schön, im Wald zu sein. Es ist so friedlich hier.
    «Wie toll das aussieht», sagt Lukas.
    Robert füllt seine Lungen mit der weichen Waldluft. «Herrlich.»
    «Das ist ein Dschungel, oder, Papa? Ein echter Dschungel.»
    «Urwald nennt man das. Manche sagen auch Märchenwald dazu.»
    «Dann wohnen hier auch Trolle, oder?»
    Er zögert mit einer Antwort, will Lukas nicht mit langweiligen erwachsenen Vernunftsprüchen abspeisen.
    «Vielleicht», sagt er.
    «Hier wohnen Trolle! Und Hexen und Elfen und Komodowarane!»
    «Nein, keine Komodowarane.»
    «Aber Elche und Füchse und Hasen. Und vielleicht ein Wolf?»
    «Vielleicht.»
    Sie gehen weiter, bis der Wald von einer Kluft durchbrochen wird.
    «Und was machen wir jetzt, Papa?»
    Robert schaut auf die Karte, dreht sie hin und her, kann aber die Kluft nicht finden. Vielleicht liegt sie genau da, wo der Falz das Papier ein wenig verschlissen hat. Er steckt die Finger in die Jackentasche. Befühlt die andere Tasche. Tastet die Hosentaschen und die Seitentaschen des Rucksacks ab. Stellt den Rucksack auf den Boden und durchsucht ihn. Er atmet tief ein, schließt die Augen. Heiliger Himmel, das ist doch nicht wahr.
    «Was suchst du?», fragt Lukas.
    «Den Kompass.»
    «Einen Kompass brauchen wir!»
    «Wir haben aber keinen! Verdammt!»
    «Sei doch nicht so böse, Papa.»
    Robert seufzt tief, setzt sich auf einen Baumstumpf.
    «Du findest doch trotzdem den Weg, oder nicht?»
    «Vermutlich.»
    «Wir haben doch die Karte! Damit kommen wir tief in den Wald. Dahin, wo der Schatz ist. Glaubst du, es ist ein echter Goldschatz, Papa?»
    «Nein.»
    «Aber es kann sein.»
    «Wahrscheinlich nicht.»
    «Das wird toll. Auch wenn es kein echter Goldschatz ist.»
    «Ja, ja.»
    «Sollen wir hier runterklettern, Papa?»
    Robert beugt sich vor und starrt hinunter in den Abgrund. Es sieht nicht wirklich gefährlich aus. Aber wenn sie erst einmal unten sind, kann es schwierig werden, wieder raufzukommen, ohne den ganzen Weg zurückzugehen. Andererseits verlaufen Wege oft durch so eine Schlucht, weil sie leicht wiederzufinden ist.
    «Bitte, Papa.»
    «Okay.»
    «Cool!»
    Hohe Steinstufen führen sie abwärts. Robert geht vor, Lukas hinter ihm. Auf dem untersten Absatz wartet er auf den Jungen und hebt ihn herunter. Es ist, als wären sie in einem dunklen Raum mit graugrünen, von Moos und Flechten bedeckten Felswänden und einem dicken Moosteppich auf dem Boden. Ganz unten fließt ein goldener Bach. Das Wasser ist klar, es hat einen starken Geruch. Wild und frisch. Sie folgen dem Wasserlauf.
    «Guck mal, Papa!», ruft Lukas nach einer Weile.
    Dort, wo der Bach sich zu einem kleinen Teich erweitert, hocken viele kleine Frösche.
    «Oh, sind die süß!»
    «Sehr süß.»
    «Glaubst du, das sind Giftfrösche?»
    «Nein.»
    «Könnten es aber sein.»
    Lukas sammelt ein paar ein. Sie krabbeln auf seiner Hand herum. Plötzlich macht einer der Frösche einen großen Satz und landet im Bach, wo er mit seinen winzigen Hinterbeinchen schnell unter ein paar Blätter paddelt. Lukas schließt die Hand um den anderen Frosch.
    «Was willst du damit?»
    «Ich will ihn als Haustier haben.»
    «Sicher fühlt er sich im Bach mit den anderen kleinen Fröschlein am wohlsten.»
    «Ich passe gut auf ihn auf.»
    «Das glaube ich gerne, aber er wird sterben.»
    Lukas hockt sich hin und entlässt den kleinen Frosch vorsichtig wieder ins Wasser. Er sieht zu, wie er davonschwimmt.
    «Tschüs, kleines Fröschlein.»
    Sie gehen weiter. Die Kluft wird zusehends tiefer. Und wie Robert geahnt hat, sind die Felswände bald zu steil, um hinaufzuklettern. Sie bestehen aus riesenhaften Steinblöcken, manche stehen schief und sehen sehr wackelig aus, denkt er. Drohen damit, sich fallen zu lassen. Ein kleines Erdbeben oder ein kräftiger Regenguss könnte sie zum Absturz bringen. Vielleicht reicht auch schon ein

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