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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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Cowboyfilmen. Er hatte mit beiden Händen an der Schlinge gezogen, so fest, dass das Seil in seine Handflächen schnitt. Es war stark, es würde ihn in der Schwebe halten, ihm das Gefühl geben, wirklich zu fliegen. Er hatte sich die Schlinge um den Hals gelegt, war aber zu feige, den Tisch wegzustoßen. Hinterher saß er da mit dem Seil in der Hand, streichelte es und spürte, wie ihm die Tränen die Luft abschnürten. Er hütete das Seil gut, hielt es mehrere Jahre unter seinem Bett versteckt. Ab und zu holte er es hervor und prüfte es, aber am Haken befestigte er es nie mehr.
    Bis auf den Haken an der Decke erinnert ihn nichts in diesem Zimmer an seine Kindheit. An den, der er einmal war.
Wer war er?
Er zieht an der Tür zur Kammer, aber sie ist abgeschlossen. Der Schlüssel hängt wohl immer noch an ihrem Schlüsselbund. Er muss diesen Verschlag nicht öffnen, um sich zu erinnern, wie es da drinnen war. Wie die Dunkelheit die Phantasie zum Leben erweckte.
     
    Mutter konnte gut erzählen, viele Geschichten wusste sie auswendig. Das hat sie wohl zu Hause gelernt. Sie hatte ein besonderes Talent, ihre Stimme zu verstellen, konnte sie so verändern, dass sie wie ein unschuldiges kleines Mädchen oder eine schreckliche Hexe klang. Wie ein Greis, ein Troll, ein Gespenst oder eine böse Fee. Sie erzählte von dem Mann, der sich im Mondschein schrittweise in einen knurrenden Werwolf verwandelte, der seine Kinder fraß. Von Ausgeburten, den bleichen Gespenstern der toten, ungetauften Kinder, die nach ihren Eltern riefen. Und die zu einem nach Hause kamen und alles Leben auf dem Hof vernichteten, falls man nicht genau das tat, was sie von einem verlangten, da draußen im Wald. Sie erzählte von der Pest, die als Totengerippe mit Besen und Harke von Hof zu Hof ging. Wo sie fegte, mussten alle an der Krankheit mit den schwarzen Beulen sterben, während dort, wo sie harkte, ein paar Leben verschont blieben.
    Am allerschlimmsten waren die Geschichten von den Wechselbälgern. Wie kleine Babys leise und unbemerkt aus ihren Wiegen geholt wurden, mitten in der Nacht geraubt von Trollweibern, die stattdessen ihre eigenen hässlichen Kinder hineinlegten. Die armen Mütter waren gezwungen, die Wechselbälger zu füttern, und die waren eine schwere Last. Aber einen Lichtblick gab es, eine Hoffnung, das richtige Kind zurückzubekommen. Wenn man den Wechselbalg nur genug anschrie und quälte, würde das Trollweib schließlich kommen und ihn holen und das richtige, liebe Kind mitbringen.
    Nach dieser Geschichte blickte sie ihn manchmal prüfend an: Wer weiß, ob du nicht so einer bist. Hübsch bist du jedenfalls nicht. Und dann stieß sie ihn von ihrem Schoß hinunter. Erst bat er, dann rief er, er wolle wieder hinauf. Aber da war Schluss mit den Geschichten. Das war immer der Schluss. Quengelte er zu sehr, hieß es ab in die Kammer. Und dort hinein kamen sie alle, die Trollweiber, die Ausgeburten, der Werwolf und die Pest. In die Dunkelheit zwischen den Wintersachen und den Mottenkugeln. Viel zu viele Mottenkugeln, die ihn nach Luft ringen ließen zwischen den Schluchzern, nachdem sie den Schlüssel im Schloss umgedreht hatte. Schrie er zu laut und zu durchdringend, kam als Nächstes der Kohlenkeller. Von dort unten war er nicht zu hören, weder in der Stube noch im Schlafzimmer. Nicht einmal in der Küche.
    Er geht die Treppe hinunter, hinaus in den Vorflur, öffnet die Haustür und geht zur Luke, die von außen in den Keller führt. Sie ist unverschlossen, im Gegensatz zum Verschlag. Nicht einmal der Riegel ist vorgeschoben. Wovor hat er Angst? Vor gar nichts. Es ist keiner hier, der ihn einsperren kann. Er zieht an der Außenluke und hebt sie hoch, öffnet die Innentür, geht die kleine Treppe hinunter und steht mitten im Kohlenkeller.
    Derselbe alte muffige Geruch. Steinwände und Lehmboden. Kälter als draußen. Aber nicht so wie im Winter. Da war es bitterkalt hier unten. Er war im Handumdrehen blaugefroren. Wenn er endlich hinausdurfte, waren Arme und Beine taub. Dann durfte er manchmal baden. Aber egal, wie lange er im warmen Wasser saß, die Kälte verließ den Körper nie ganz. Selbst wenn Mutter lächelte und wieder freundlich war, blieb er zu Eis gefroren, bis ins Innerste.
    Er streicht mit der Handfläche über die raue Wand. Alaunschiefer. Grau. Wenn man an dem Stein kratzt, bröckelt er. Aber das führt zu nichts. Man kann kratzen und kratzen, bis die Finger bluten, aber man findet keinen Ausgang. Man kommt nur immer

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