Der Waldläufer
ausgesprochen, als Fabian, ehe nur Bois-Rosé seinerseits sich seinem Vorhaben widersetzen konnte, in den Sattel sprang, ohne die Steigbügel zu berühren.
»Halt, Fabian, halt!« schrie Bois-Rosé mit angstvoller Stimme. »Willst du dich allein der Gefahr aussetzen, in ihre Hände zu fallen?«
Doch schon hatte Fabian das Taschentuch von den Augen des Pferdes gerissen, das, plötzlich wieder sehend geworden, mit den Nüstern vor Zorn schnaubte und hintereinander drei ungeheure Sätze machte, um die Last abzuschütteln, die zum erstenmal auf ihm ruhte; dann blieb es unbeweglich zitternd stehen, als ob es sich über seine Bändigung schämte.
Bois-Rosé benützte diesen Augenblick der Ungewißheit, um den Riemen zu ergreifen, der als Zügel diente; aber es war zu spät: Trotz seiner Kraft zwang ihn ein zweiter Sprung des Pferdes, diesen fahren zu lassen, und das erschreckte Tier flog mit blindem Ungestüm, den menschliche Kraft nicht mehr bändigen – höchstens noch lenken – konnte, dahin. Einige Augenblicke konnte der Kanadier mit bangem Blick dem unerschrockenen Reiter noch folgen, der mit seinem wütenden Tier kämpfte und sich auf den Sattel niederbeugte, um den Schlag der Zweige zu vermeiden; aber bald sah ihn Bois-Rosé nicht mehr. »Sie werden ihn töten!« rief er schmerzlich bewegt. »Fünf gegen einen! Das ist kein ehrlicher Kampf! Laß uns so nahe wie möglich folgen, Pepe, um noch einmal dieses Kind zu beschützen, das mir erst seit so kurzer Zeit wiedergegeben ist!«
Bois-Rosé hatte schon seine Büchse über die Schulter geworfen, und ohne die Antwort seines Freundes abzuwarten, war er schon mit einigen gigantischen Schritten außerhalb der Tragweite seiner Stimme in der Richtung, die Fabian eingeschlagen hatte.
»Dieses Pferd ist nicht leicht zu regieren!« schrie Pepe ihm nach. »Ich weiß gewiß, daß es nicht in gerader Linie fortstürmen wird! Sei nicht bange; wir kommen vielleicht ebenso rasch hin wie er! Ach, Don Estévan, Euer böser Stern hat Euch unter diese Banditen geführt!«
Unterdessen sprengte Fabian wie jene abenteuerlichen Reiter in den Legenden, die kein Hindernis aufhält, mit einer erschreckenden Geschwindigkeit über den ungleichen Boden, über Bäche, Baumstämme, die vor Alter umgestürzt waren. Seine Aufregung schien mit der seines Tieres zu wetteifern. Pepe hatte sich nicht getäuscht; kein Zweifel – er hätte trotz des Vorsprungs, den sie vor ihm hatten, schnell diejenigen, die er verfolgte, erreicht, wenn er den ungestümen Anlauf seines Pferdes nach seinem Willen hätte lenken können. Unglücklicherweise oder vielleicht glücklicherweise für ihn zwang sein noch ungezähmtes Pferd ihn zuweilen, von der geraden Linie auf der Verfolgung abzuweichen, und nur nach ungeheuren Anstrengungen konnte er es auf den engen Fußpfad zurückbringen, der sich durch den Wald schlängelte und auf dem die Spur der fünf Flüchtigen sichtbar war. Oft fand er sich plötzlich diesseits des Weges wieder, den er schon zurückgelegt hatte, und er verlor somit alles, was er an Raum beim vorhergehenden Ritt gewonnen hatte.
Nach einer Stunde eines solchen regellosen Rennens und furchtbaren Kampfes jedoch fing das Pferd an zu fühlen, daß es seinen Meister gefunden hatte, seine Kraft begann nachzulassen; der heftig von der kräftigen Hand des Reiters angezogene Kappzaum preßte seine Nüstern, die nur noch einen pfeifenden Atem ausstießen; seine Schnelligkeit nahm nach und nach ab, seine Sprünge geschahen weniger rückwärts; endlich gehorchte es dem Druck, den es fühlte. Wie auf eine getroffene Verabredung hielten Mann und Pferd an, um Atem zu schöpfen; der Schweiß rieselte beiden vom Leib herab, und von den Flanken des Pferdes stieg der Dampf wirbelnd empor.
Fabian benützte diesen Waffenstillstand, um sich zu orientieren; der Nebel, der seinen Blick verschleierte, begann sich zu zerstreuen, und das heftige Klopfen seines Herzens betäubte nicht mehr seine Ohren – er konnte hören und sehen.
Zertretene Blätter, kleine frische, zerbrochene Zweige, die Spur mehrerer Pferdehufe auf dem Gras oder im Sand zeigten dem geübten Auge Fabians unzweifelhaft den Weg, den diejenigen eingeschlagen hatten, die vor ihm flohen. Plötzlich schlug das ferne Geräusch eines Wasserfalls an sein Ohr. Einen Augenblick noch, und die Flüchtigen gewannen vor ihm die unförmige Brücke, die über das breite und tiefe Bett führte, in dem der Waldstrom dahinstürmte; mit vereinten Kräften konnten sie
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