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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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diese lebende Hecke, und beide verschwanden bald, hitzig verfolgt, nach derselben Seite hin, woher sie gekommen waren. Was den anderen Reiter anlangt, so bewies ein triumphierendes Geheul den im Lager umzingelten Abenteurern, daß er entweder tot oder gefangen war.
    Dies war der letzte Akt in diesem beklagenswerten Drama. In jedem Augenblick fiel einer der zerstreuten Flüchtlinge oder einer der wenigen Streiter im Lager unter der indianischen Lanze, um sich nicht wieder zu erheben; bald verloren sich Verfolger und Verfolgte in der Finsternis, wo die Schüsse sich immer seltener hören ließen, je geringer die Zahl der Flüchtigen wurde – dann hörte man nichts mehr.
    Einige Zeit darauf kamen die Indianer zu ihren siegreichen Kameraden zurück; alle hatten Skalpe in der Hand, von denen das Blut noch herabtropfte. Ebenso waren auch die im Umkreis des Lagers ermordeten Weißen verstümmelt. Von dieser ganzen zahlreichen Truppe waren nur der noch lebend skalpierte Gambusino und einige in der Dunkelheit dem schrecklichen Gemetzel entronnene Flüchtlinge übriggeblieben. Die anderen waren nur Leichname ohne Kopfhaut und lagen, hundertfach verstümmelt, mitten unter den Maultieren und den getöteten Pferden. Eine Stunde nach Beendigung dieses blutigen Kampfes beleuchtete der Schein der als ungeheurer Scheiterhaufen verbrannten Wagen weithin die mit Toten und Sterbenden bedeckte Ebene. Die Flamme zeigte auch einen weißen Gefangenen, der an den Stamm eines Eisenholzbaums gebunden war, und eine Gruppe Indianer, die einen wilden Tanz um den Gefangenen aufführten.
    Der Schwarze Falke und die Antilope saßen wie vor einigen Stunden auf der Schwelle des Zeltes Don Estévans; sie glichen den Geistern der Zerstörung und des Gemetzels. Mit Lust schienen sich ihre Augen an dem düsteren Schauspiel des Todes, ihre Ohren an den Seufzern zu weiden, die der letzte Todeskampf einigen Verwundeten entriß; sie atmeten mit Lust den faden, ekelhaften Geruch des Blutes, dessen Dünste bis zu ihnen emporstiegen. Ein dunkler Himmel, hier und da rot vom Widerschein des Feuers, lag über diesem traurigen Anblick.
    Die beiden Indianer hatten ihre ruhige Haltung wieder angenommen, als ob sie beide allem, was sich eben zugetragen hatte, ganz fremd gewesen wären. Beide schwiegen; Antilope sprach zuerst. »Was hört jetzt der Schwarze Falke?« fragte er seinen Gefährten.
    »Zwei Stimmen«, antwortete der Häuptling: »Die des Fiebers, das das Mark seiner Gebeine verbrennt und ihm zuruft, sich den Händen des Arztes im Stamm anzuvertrauen. Er hört aber auch noch das Geräusch der drei fliehenden Krieger aus dem Norden und die Stimme eines Freundes, die zu dem verwundeten Häuptling sagt: ›Ein Freund wird es auf sich nehmen, dich zu rächen !‹«
    »Es ist gut«, erwiderte Antilope einfach; »morgen will ich mit dreißig unserer besten Krieger auf ihrer Spur sein.«

40 Das Val d'Or
    Wir müssen jetzt auf den Morgen desselben Tages zurückkommen, der den Mexikanern so verderblich wurde und an dem auch die drei wunderbar auf ihrer schwimmenden Insel geretteten Jäger in das Val d'Or eindringen wollten.
    Dunkelheit verhüllte noch die Landschaft und ließ nur deren große Umrisse erkennen; sie war indes nicht mehr so groß wie in den feierlichen Stunden einer Steppennacht. Die Sterne verließen nach und nach den Himmel, auf dem die Zacken der Sierra abstachen wie Türme mit abenteuerlichen Zinnen, deren Gipfel grauer Nebel umkränzt. Dichte Schatten bezeichneten an den Seiten tiefe Spalten. Am Fuß der Sierra trennte sich ein einsamer Fels wie ein vorgeschobenes Bollwerk von der Masse der benachbarten Berge. Hinter der flachen Ebene seines Gipfels stürzte sich ein Wasserfall mit ehrfurchtgebietendem Rauschen in einen bodenlosen Abgrund. Diesseits des einsamen Felsens, der sich wie ein abgestumpfter Kegel erhob, stand eine Reihe Zwergweiden und Baumwollstauden – ein Beweis, daß sich ein Flüßchen oder eine Einfassung von angeschwemmtem Boden in der Nähe befand.
    Dann dehnte sich die unermeßliche Ebene des Deltas, das durch die Trennung der beiden Arme des Rio Gila gebildet wurde, der sich westlich und östlich einen Durchgang durch die Kette der Nebelberge bahnte, bis zum Gipfelpunkt des Triangels in seiner ganzen düsteren Erhabenheit aus. Die Basis des vom Fluß eingeschlossenen Deltas war nicht weiter als eine Meile vom Gipfel entfernt; aber zwischen seinen beiden Seiten, die von den beiden Armen des Gila begrenzt wurden, hatte seine

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