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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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durchglühte. Das Feuer, das während der Nacht auf dem Gipfel der Felsen angezündet worden war, strahlte noch durch den Dunst, ohne daß die Belagerten hätten wissen können, ob einige von ihren Feinden sich dort befänden, um es zu unterhalten.
    »Mein Gott, du siehst es – ich habe alles getan, was in meinen Kräften stand, um den Kampf zu vermeiden«, sagte der Kanadier, der mit leiser Stimme betete, indem er jetzt wieder durch die Anwesenheit Fabians daran erinnert wurde, daß alle Kraft und aller Schutz von oben komme; »aber dein Wille geschehe!« Dann wandte er sich an Pepe mit mehr Ruhe, als er bis jetzt gefühlt hatte, und sagte: »Da du die klaren und entschiedenen Stellungen liebst, so mußt du zufrieden sein. Es ist klar, daß die Schelme außer dem Schatz auch uns selbst noch haben wollen, und du weißt wahrscheinlich, zu welchem Zweck.«
    »Ja, um die Freundschaft des Häuptlings mit dem schwarzen Gefieder, das Beste von seinen Jagden und die schönsten von seinen Frauen zu erhalten; anders ausgedrückt heißt das, um lebendig skalpiert, ermordet und verbrannt zu werden. Es ist wahr, das Schicksal ist gar nicht zweifelhaft.«
    »Der Kampf wird lang und erbittert sein; Fabian, mein Sohn, der Haß des Feindes, der seinen Feind lebendig haben will, ist viel schrecklicher als der, der ihn zu töten sucht; wir haben es erprobt.«
    In der Tat schlief wie eine traurige Vorbedeutung der Zukunft ein Mann neben ihnen in seinem Grab, den sie auch nur lebendig hatten gefangennehmen wollen. Jetzt drohte den Jägern dasselbe Schicksal, das Don Antonio von ihnen bereitet worden war und das ihnen zwei Tage zuvor auf dem Eiland gedroht hatte.
    »Wir müssen also unsere Vorsicht und unsere Kaltblütigkeit verdoppeln«, fuhr der Kanadier fort; »jeder von uns darf nur dann schießen, wenn er seiner Sache sicher ist; und besonders mußt du, Fabian, um so weniger dein Leben aufs Spiel setzen, als du es ganz und gar einem Greis gewidmet hast, der sich deiner Gegenwart freut und dir für die Zukunft seinen Segen gibt. Dein Leben gehört dir nicht mehr; das ist mein Eigentum! Versprichst du es mir?«
    »Aber unser Leben ist ja für den Augenblick nicht bedroht, da du sagst, daß man uns nur lebendig haben will!« erwiderte Fabian.
    »Lebendig? Darüber mache ich mir keine Sorge«, sagte Bois-Rosé. »Wären wir auch alle drei tödlich verwundet, so würde uns doch noch Kraft genug übrigbleiben, uns in diesen Abgrund zu stürzen, um dort ein Los zu finden, das im Vergleich mit dem, das uns als Gefangene erwartet, sehr süß sein würde. Die Schelme haben daran nicht gedacht.«
    »Es ist dabei noch etwas anderes zu bedenken«, fügte Pepe hinzu: »Diese Räuber der Prärien haben nicht dasselbe Interesse als ihre Verbündeten. Sie wollen vor allem Gold, und sobald die Ungeduld sie ergreift, haben sie nur noch einen Gedanken, nämlich uns so schnell wie möglich zu töten, um der Sache ein Ende zu machen. Gott gebe übrigens, daß ich mich nicht täusche, denn beim Versuch, uns zu töten, müssen sie sich bloßstellen; sonst könnte, wenn sie bei der Absicht, die sie kundgeben, beharren, ein so schrecklicher Umstand eintreten, wo wir trotz der gesicherten Zuflucht, die uns dieser Abgrund bietet, doch mit den Waffen in der Hand gefangengenommen würden, ohne daß uns die Möglichkeit bliebe, uns in die Tiefe zu stürzen oder uns gegenseitig zu erdolchen.«
    Diese entsetzliche Wahrscheinlichkeit, neben der eine nicht minder schreckliche bestand – daß nämlich einer von ihnen allein den mitleidlosen Feinden in die Hände fallen könnte –, erschütterte die Jäger einen Augenblick. Eine heilige, unauflösliche Freundschaft, zehn Jahre gemeinschaftlich durchlebter Gefahren und Kämpfe verknüpften Bois-Rosé und Pepe. Vom Atlantischen Ozean bis an die Küsten des Stillen Ozeans hatten die Büchsen der beiden Jäger zusammen geknallt; sie hatten einander die Hände in vielen verzweifelten Kämpfen gedrückt, die Freuden des einen waren die Freuden des anderen gewesen. Hunger und Durst, die Vater und Sohn entzweien, hatten das Band, das sie zusammenfesselte, nicht zerreißen können; sie hatten ihren letzten Tropfen Wasser, ihren letzten Bissen Nahrung miteinander geteilt. Mit einem Wort: es war eine Freundschaft, wie man sie in der Steppe schließt, wo Haß, Rache, Liebe – kurz, alle Leidenschaften so groß werden wie die Unermeßlichkeit, der sie ihre Entstehung verdanken.
    Nachdem sie einen Augenblick dieser Schwäche

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