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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Stunden ohne Speise und Trank geblieben und haben von einem Morgen bis zum anderen gekämpft? Wenn du hungrig bist, so kau einige Tannennadeln, die die Kugel des Indianers auf uns hat niederregnen lassen, und es müßte mit dem Teufel zugehen, wenn der bittere Geschmack des Harzes dir nicht den Appetit auf vierzehn Tage raubte.«
    »Danke schön; ich habe ein einfaches Stück von einem Rehbraten oder einem Büffelrücken lieber«, antwortete Pepe, der wieder guter Laune geworden war. »Aber du liegst dort hinten so ruhig wie ein Heiliger aus Stein in seiner Nische; ist denn auf deiner Seite irgendein Individuum in der Ebene im Bereich deiner Büchse?«
    »Es sind vier da; aber sie liegen in Löchern hinter platten Steinen, wodurch auch wir uns decken«, erwiderte der Kanadier, indem er einen raschen Blick nach der Stelle warf, wo er die auf die Kanten gesetzten Platten gesehen hatte; aber diese hatten ihre horizontale Lage wieder angenommen. »Ach«, fuhr Bois-Rosé fort, »die Schelme haben die Steine auf ihren Schlupfwinkel niederfallen lassen. Merk dir das, und wenn die Nacht hereingebrochen ist und die Füchse ihren Bau nicht verlassen haben, so können wir beide hingehen und dieses Gezücht zertreten.«
    Der Kanadier verlor während dieser Unterredung keineswegs die Stelle aus den Augen, wo das Feuer auf der Höhe angezündet war. Nur ein etwas dunklerer Streifen, den der Rauch des ausgehenden Feuers durch den Nebelschleier zog, machte es sichtbar. Seinerseits konnte Pepe durch die schmale Schießscharte der sie beschützenden Steine seine Blicke, ohne die Stellung zu ändern, auf das Val d'Or fallen lassen.
    Gewiß zum erstenmal seit Jahrhunderten mischte die Sonne nicht ihre goldenen Strahlen mit dem Gold in dem engen Tal, das unter den schon verwelkten Zweigen verborgen lag.
    »Ich hatte mich nicht getäuscht, wie Ihr seht«, sagte Pepe zu Fabian, »wenn ich behauptete, daß dieser erbärmliche Schuft Baraja seinen Verbündeten das wirkliche Lager des Schatzes nicht entdeckt hätte; sonst würden wir diesen Mestizen und den Renegaten einen Versuch machen sehen, sich in das Tal hinabzuschleichen oder wenigstens neugierige Blicke hineinzuwerfen. Das wäre eine herrliche Gelegenheit, ihnen etwas Blei in den Kopf zu schicken. Ich kann wohl sagen, daß ehrlichere Leute als sie diesem Zauber des Goldes, das dort haufenweise ausgebreitet liegt, nicht entgangen sind. Ich habe ganz entschieden unrecht daran getan, es ihren Blicken zu entziehen. Was zum Teufel aber können denn diese Dämonen der Hölle so lange vorhaben?
    »Ich möchte es wohl erraten können«, fuhr der Spanier nicht ohne Unruhe fort.
    »Vielleicht entschließen sie sich, zu stürmen, und warten die Nacht dazu ab.«
    »Obgleich wir ihre Zahl nicht kennen, so wäre es doch zu wünschen.«
    Ein Ereignis unterbrach die Betrachtung Pepes. Zwei Feuerstrahlen durchfurchten die vor den Augen des alten Jägers ausgebreitete Nebelhülle, und der doppelte Knall hatte seine Ohren noch nicht erreicht, als auch seine Büchse einen gleichen Blitz schleuderte. Die drei Schüsse wurden fast zu einem einzigen, aber mit verschiedenem Erfolg. Durch die beiden zugleich abgeschossenen Kugeln von ihren Stricken abgerissen, fielen die Wolldecken auf die Plattform nieder, während das Blei Bois-Rosés, der nach dem Licht, das dem Schuß vorausgegangen war, gezielt hatte, einen von den Schützen traf.
    »Ach, Don Fabian«, rief Pepe, »welch einen köstlichen Anblick verliert Ihr da! Nur Bois-Rosé kann Euch ähnliche Überraschungen bereiten.«
    Ein Indianer stürzte von der Höhe des Berges herab und machte vergebliche Anstrengungen, sich an den scharfen Felsenspitzen festzuhalten, an denen er in seinem Sturz zerschmetterte; nachdem er grauenerregende Sprünge im Fall gemacht hatte, fiel seine Leiche neben dem Schlund des Wasserfalls in den See, der unter seiner grünen Decke rauschte.
    »Das ist unser Ende!« fuhr der Spanier philosophierend fort und heftete seine Augen auf die Wasserfläche. Die Kreise auf dieser wurden immer größer und verschwanden endlich am Ufer; dann wurde das Wasser wieder so ruhig wie vorher und spiegelte wieder friedlich den Himmel und die Felsen ab. Bald hörten die Jäger nur noch die von den Seiten des Berges losgerissenen Steine langsam in den See gleiten; es klang wie der Sand einer Totenuhr, wie die Schaufel voll Erde, die man in die Gruft wirft, um sie zu füllen, sobald sie in sich aufgenommen hat, was sie nicht zurückgeben

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