Der Waldläufer
wie der Donner am Himmel in seiner Brust grollte, ihm alle Kaltblütigkeit raubte, legte er auf den Mestizen an. Der Feind hatte dieselbe Stellung eingenommen wie der Indianer vor ihm und hatte den Jäger genötigt, sich wie das erstemal eine Blöße zu geben, um ihn treffen zu können; der Indianer stürzte auch tödlich getroffen hinter der Hecke nieder; aber zwei Schüsse knallten abermals zugleich mit dem Bois-Rosés.
»Verflucht!« rief der Jäger mit Donnerstimme, indem er sich fast gerade aufrichtete und wütend den nutzlosen Kolben, der in seinen Händen zurückgeblieben war, nach dem Leichnam des eben von ihm getöteten Feindes schleuderte. So groß war die Kraft gewesen, mit der der Koloß seine Waffe umschlungen hielt, daß der Lauf sich vom Schaft gelöst hatte, ohne diesen den fest umspannenden Fingern entreißen zu können. »Die Hölle bekomme deine Seele bei lebendigem Leib, verdammter Mestize!« fuhr der Kanadier fort und zeigte mit der Faust nach dem regungslosen Leichnam.
Ein schallendes Gelächter, das ein Teufel, der mit der Erfüllung des Fluches des Kanadiers beauftragt war, ausgestoßen zu haben schien, erscholl auf den Felsen gegenüber, und der Mestize erschien einen Augenblick schnell wie der Blitz und voll Lebenskraft über dem Wall von Büffelhäuten. Sein Kopf war mit aufgelösten, wallenden Haaren bedeckt, und sein Gesicht strahlte von einem teuflischen Spott; dann verschwand die Erscheinung ebenso rasch, als sie sich gezeigt hatte.
Der Indianer, der zum letztenmal seine treulose Rolle spielte, hatte sich schlau genug den Kopfputz des Mestizen geliehen, um desto sicherer den Haß seiner Feinde zu reizen, und es war ihm nur zu gut geglückt. »Der Adler der Schneegebirge ist nur eine Eule am hellen Tag. Seine Augen können nicht in der Sonne das Gesicht eines Häuptlings von dem eines Kriegers unterscheiden!« rief die Stimme Sang-Mêlés nach der Prahlerei, die er eben durch sein Hervortreten bekundet hatte.
»Ach, Pepe! Dieser Mensch ist verderbenbringend für uns; aber von jetzt an soll zwischen ihm und uns ein Krieg auf Leben und Tod geführt werden«, sagte Bois-Rosé; »und die Prärien, so groß sie auch sind, sollen doch nicht mehr Raum genug für uns beide haben.« Er hatte seine Stellung mechanisch wieder eingenommen, dann murmelte er mit leiser Stimme: »›Wehe über den‹, hat der Herr gesagt, ›der in meinen Händen die Rute meines Zorns und der Stab meiner Gerechtigkeit sein wird!‹ Pepe, nachdem der Herr sich unserer zu seiner Rache bedient, hat er das Werkzeug, dessen er sich hat bedienen wollen, zerbrochen; er hat die Kraft in unseren Händen zerschmettert!«
»Ich fange an, es zu glauben«, antwortete Pepe; »aber ich schwöre bei der Seele meiner Mutter, daß ich, wenn Gott mich am Leben erhält, noch einmal seinem Zorn dadurch dienen werde, daß ich meinen Dolch bis an das Heft in das Herz dieses halb roten, halb weißen Teufels tauche!«
Als ob der Himmel diesen Schwur angenommen hätte, bedeckte eine plötzliche Dunkelheit die Ebene, Blitze durchfurchten gleich Flammenströmen den Horizont von einer Seite zur anderen, und der Donner brach wie eine Batterie von hundert Kanonen los. Die Berge und die Ebene wiederholten in klagenden Echos die gewaltige Stimme des Sturms, die in den Prärien wie mitten auf dem unermeßlichen Ozean erscholl. Das bleiche Licht der Blitze, das durch die fleischlosen Seiten des Pferdeskeletts sprühte, gab der Gruppe der Jäger einen fremdartigen, unheimlichen Ausdruck. Wie die Augen zweier in die Enge getriebener Löwen, so leuchteten die Augen des Kanadiers und Pepes von einem wilden Feuer.
Der schreckliche Verlust, den sie eben erlitten hatten, hatte ihren Mut nicht zu Boden geworfen, aber ihn für den Augenblick in eine düstere, passive Resignation verwandelt. Es war jedoch klar, daß diese beiden Männer, die sich eine Zeitlang beugten wie zwei Eichen, die der Wind bis in ihre Wurzeln erbeben läßt, sich bald ebenso wie diese wieder aufrichten mußten. Schon machte in Bois-Rosés Seele der ungestüme Zorn der Demütigung eines alten Soldaten Platz, der sich von Neulingen entwaffnet sah. Pepe bekam nach und nach seinen angreifenden, spottenden Mut wieder.
Was Fabian anbelangt, so hatte er die Ruhe eines Mannes bewahrt, für den das Leben, ohne gerade eine schwere Last zu sein, doch unbequem genug ist, um ohne Schwäche den Augenblick zu erwarten, wo er davon befreit wird.
»Fabian«, sagte der Kanadier traurig, »ich habe
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