Der Waldläufer
der Mündung meines Laufes und könnte ihm von hier aus den Arm zwischen dem Daumen und dem Faustgelenk zerschmettern. Geh noch ein wenig zurück, Fabian, wenn es möglich ist; ich muß noch etwas schräger nach links halten, denn wenn seine Hand da ist, so ist sein Körper weiter entfernt. Gut! Jetzt habe ich die richtige Lage.«
Als der Kanadier diese Worte gesprochen hatte, schien der schrille Ruf eines Raubvogels oben aus der Luft bis zu den Ohren der Jäger zu dringen, und plötzlich ließ der Indianer die Gebüsche los, und seine Hand verschwand. Raubvögel schwebten dicht unter den Wolken, die immer dunkler wurden und sich tiefer auf die Erde niedersenkten; es war somit Pepe und Bois-Rosé unmöglich, sich bestimmte Rechenschaft von dem Schrei zu geben, den sie gehört hatten. Sie wußten nicht, ob es ein Signal sei oder die Stimme einer Weihe, wie sie über ihren Häuptern in der Luft kreisten.
Ein Donnerschlag, dessen Rollen in den Nebelbergen widerhallte, jagte die Weihen in die Flucht. Alle lebenden Wesen schienen vor dem schrecklichen Sturm, der bald ausbrechen mußte, einen Zufluchtsort zu suchen. Die Erde selbst schien ihr Antlitz vor der Stimme, die aus den Wolken klang, zu verhüllen. Nur die Menschen blieben unberührt und lauerten auf die Gelegenheit, sich gegenseitig zu ermorden.
»Der rote Teufel wird bald wiederkommen«, sagte der Kanadier, »denn niemand rührt sich vor uns, und in der Tat können sie ja auch nur von der Ebene und nicht vom Gipfel dieser Berge aus zu uns emporsteigen.«
Bereit, auf den ersten Feuer zu geben, der es wagen sollte, den Raum zwischen der Felsenkette und dem Fuß der Pyramide zu durchlaufen, lag Bois-Rosés Büchse unbeweglich, die Mündung nach dem Gesträuch gerichtet, das nicht einmal mehr der Wind bewegte.
»Ah«, sagte der Kanadier, »der Schelm erneuert den Versuch; er hat Mut bekommen, da er ungestraft geblieben ist. Aber, bei allen Teufeln, ich habe niemals einen Indianer sich auf diese Art benehmen sehen! Das ist irgendein Verzweifelter aus den Prärien, der das Gelübde getan haben muß, sich bei der ersten Gelegenheit den Schädel zerschmettern zu lassen.«
Die Haltung des Indianers schien auch in der Tat die Voraussetzung zu rechtfertigen, daß er einer von denen wäre, die noch heute unter den Indianern ebenso unbesonnen abgelegte Gelübde erfüllen, als diejenigen waren, die einst unsere gallischen Vorfahren taten, die an Wildheit den Indianern nichts nachgaben.
Der rote Krieger war mit einem Satz bis in die Umzäunung der Baumwollstauden und Weiden des Val d'Or gesprungen, und obgleich er hier gänzlich durch das undurchdringliche Grün verdeckt war, so ragte doch sein Kopf ganz darüber hinaus, und in seinem bemalten Antlitz funkelten die Augen mit einem Feuer, das die Gewißheit des Todes nicht zu dämpfen vermochte. Sie hefteten sich starr auf Bois-Rosés Büchse, die langsam durch die Spalte von Steinen vorrückte, als ob er den Schützen hätte bezaubern wollen.
»Es ist sein Wille gewesen!« sagte der Kanadier, der durch die Stellung des Indianers genötigt war, von oben nach unten Feuer zu geben, und deshalb den Lauf seiner Büchse vorstrecken mußte, so daß sie etwa einen halben Fuß über den Felsen hinausragte.
Drei Schüsse und ein zweifacher Schrei des Schmerzes erschollen fast zu gleicher Zeit. Der erste Schuß kam aus der Waffe des Waldläufers; der erste Schrei bezeichnete den Todeskampf des Indianers, der sein Todesgeheul ausstieß.
Die beiden fast augenblicklich folgenden Schüsse waren von Main-Rouge und Sang-Mêlé abgefeuert. Der zweite Schrei des Schmerzes war von Bois-Rosé ausgestoßen. Zwei Kugeln hatten zu gleicher Zeit den Lauf seiner Büchse getroffen, die ihm aus der Hand gerissen wurde, auf den Felsen schlug und dann dicht zu dem sterbenden Indianer hinrollte.
Felsenherz hatte noch Kraft genug, sich ihrer zu bemächtigen, und seine wankende Hand schleuderte sie an den Fuß der Felsen; dann rührte er sich nicht mehr. Ein Geheul wilder Freude begleitete diese letzte Heldentat, während der entwaffnete Kanadier auf Pepe und Fabian einen Blick tödlicher Angst warf.
Während dieser Zeit wurde der Himmel immer finsterer.
55 Der Ausfall
Mitten in den Steppen des fernen Westens, in den weiten Prärien des westlichen Amerikas sind drei Dinge vor allem nötig: ein der Furcht unzugängliches Herz, dann ein schneller und kräftiger Renner, endlich eine erprobte Büchse.
Ein unter allen Umständen bewährter Mut, wie
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