Der Waldläufer
Ermutigt durch diesen unerwarteten Erfolg wagte der Indianer die Hoffnung zu fassen, mit seinen eigenen Händen den Feinden die letzte Waffe, die ihnen noch blieb, zu entreißen, ohne diese Heldentat mit seinem Leben zu bezahlen. Übrigens war dieses ja zum voraus schon als Opfer bestimmt, und sein Los konnte nicht schlimmer ausfallen als das, zu dem er bestimmt war.
Er wußte, daß die Augen der beiden Häuptlinge seinen Bewegungen folgten, und nachdem er einen Augenblick stehengeblieben war, machte er den beiden hinter der Masse von Büffelhäuten im Hinterhalt liegenden Freibeutern, die ebenso wie er über die unerklärliche Bewegungslosigkeit der Belagerten erstaunt waren, ein Zeichen mit der Hand und begann langsam den steilen Abhang des abgestumpften Hügels zu erklimmen. Er stieg so vorsichtig und leicht hinauf, daß auch nicht ein losgerissener Stein, auch nicht ein von seinen Füßen abgetretenes Stückchen Erde herabrollend die Gegenwart eines Feindes verriet.
In dem Augenblick, als er den Kopf über die Fläche der Plattform hinausstrecken wollte, lauschte der Indianer unbeweglich. Nicht ein Hauch, nicht ein Wort ließ sich vernehmen. Nun wagte es der Indianer, einen Blick über einen von den Steinen zu werfen, die die Belagerten deckten.
Das war der Augenblick, wo Fabian, auf dem Gipfel der Pyramide liegend, mit aufmerksamen Augen die Bewegungen seiner beiden Gefährten verfolgte und sie vom Schilf des Sees bedeckt verschwinden sah.
Bevor der junge Mann, der durch das gewaltige Interesse, das er am Gelingen des kühnen Plans des Spaniers und des Kanadiers nahm, sich umwandte, um nun auch die Feinde auf der entgegengesetzten Seite zu überwachen, hätte der Indianer Zeit gehabt, ihm den Kopf mit einem Axthieb zu zerschmettern. Aber es war einer von denen, die bestimmt waren, der Rache des großen Häuptlings lebendig überliefert zu werden, und sein Leben war darum geheiligt für den Apachen. Nur die Büchse des weißen Jägers wollte er haben, und anstatt den Arm auszustrecken und ihm einen Hieb zu versetzen, näherte sich der Indianer kriechend, um ihm die Waffe, nach der er so gierig war, zu entreißen.
Beim Anblick dieses bemalten Gesichtes, in dem zwei Augen wie die einer wilden Katze funkelten, fühlte Fabian, der nicht wußte, ob dies der einzige Feind auf der Plattform sei, ein Schaudern des Schreckens; das dauerte jedoch nur eine Sekunde lang. Er unterdrückte einen Hilferuf an seine Gefährten, wodurch diese hätten verraten oder ihnen der Rückzug hätte abgeschnitten werden können, und da er sich seiner Büchse nicht bedienen konnte, die der Indianer eben beim Lauf ergriffen hatte, so umschlang der unerschrockene junge Mann schweigend mit seinen Armen den Leib des roten Kriegers.
Ein erbitterter Kampf begann.
Bei der Verteilung ihrer Gaben zwischen den verschiedenen menschlichen Rassen hat die Natur dem Indianer so geschmeidige und nervige Fersen gegeben, daß sehr wenige Weiße mit ihm an Schnelligkeit wetteifern können, aber sie hat bei weitem nicht die Arme des Indianers mit einer Kraft begabt, die der des Weißen gleichkäme. Lufthauch machte eine rauhe Erfahrung darin. Zweimal rollten die beiden eng miteinander verschlungenen Gegner auf der Plattform mit zweifelhaftem Vorteil herum, und in der Hitze des Kampfes ging die heftig gestoßene Büchse los, ohne daß die Kugel einen von den Kämpfern traf.
Das war der Schuß, der bis zu den Ohren der beiden Jäger gelangte, die selbst in einen nicht weniger schrecklichen Kampf verwickelt waren.
Endlich behielt Fabian, der viel kräftiger war als der Indianer, die Oberhand und hielt seinen Feind unter sich nieder; dann vergrub der junge Spanier mit einer Hand, deren Stoß Lufthauch nicht schnell genug ausweichen konnte, da er entschlossen war, die Büchse, die er ergriffen hatte, nicht wieder loszulassen, sein Messer in der Brust des Apachen. Der Weiße und der Indianer waren durch das heftige Ringen bis zum äußersten Rand der Plattform gekommen. Unter ihnen grollte dumpf der Abgrund; der Sprühregen des in der Tiefe der Schlucht gebrochenen Wasserfalls mischte sich mit ihrem Atem, und der sterbende Indianer setzte alle Kraft daran, Fabian mit sich hinabzureißen. Dieser strebte vergebens, sich von der verzweifelten Umschlingung des roten Kriegers frei zu machen.
Einen Augenblick fühlte der junge Mann, wie seine erstarrten Muskeln nachgaben und ihm den Dienst versagten; aber die Furcht vor einem schrecklichen Tod rief bald seine
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