Der Waldläufer
Blitz hätte man die beiden Jäger traurig auf der Spitze des Felsens sitzen sehen können; der eine von ihnen versuchte vergeblich den anderen zu trösten. Beide warfen einen trostlosen Blick auf die tiefen Abgründe, in die der Wind stürmisch hineinwehte, oder auf die altersgrauen Felsspitzen, die wie die Pfeifen einer gigantischen Orgel unter dem Hauch des Ewigen zu brausen schienen.
Wenn nach dem Einbruch der Nacht irgendein Reisender sich in die Nebelberge verirrt hätte, so würde er gehört haben, wie sich mit dem Rauschen des Sturms bald ein Gebrüll vermischte wie das des Löwen, dem man sein Junges geraubt hat; bald klagendes Geschrei wie das der Rahel, die in den Einöden Ramas weinte und sich nicht mehr trösten lassen wollte, weil ihre Söhne nicht mehr waren.
Als endlich der Sturm zu brüllen aufhörte, gingen Pepe und Bois-Rosé immer noch auf gut Glück in den Bergen umher – ohne ihren jungen tapferen Gefährten, ohne Waffen, ohne Lebensmittel – und begannen nun einen von jenen schrecklichen Abschnitten des Lebens in der Steppe, wo der Jäger kein Mittel mehr hat, gegen den Hunger zu kämpfen, und ebensowenig imstande ist, sich gegen herumstreifende Indianer oder gegen die Raubgier der wilden Tiere zu schützen.
Diese beiden unerschrockenen Männer hatten sich indessen entschieden, ihre Verfolgung fortzusetzen, denn die Sonne mußte bald noch einmal diese traurige Einöde erleuchten, und schon erloschen wie die sterbenden Kerzen eines nächtlichen Festes die Sterne am erleuchteten Himmelsgewölbe im Nebel des sich ankündigenden Morgens.
57 Erinnerungen und Klagen
Es gibt zuweilen scheinbar bedeutungslose Ereignisse, die dennoch den raschen Gang der Tatsachen zu hemmen scheinen und den Wolken unter den Wendekreisen in gewissen Breiten gleichen. Diese Wolken schweben in der Luft über dem Ozean, weiß und leicht wie eine dem Flügel einer Möwe entfallene Feder; das Auge des Reisenden hält es nicht der Mühe wert, sich mit ihr zu beschäftigen; aber aufmerksam folgt ihnen das Auge des Seemanns, denn oft wächst die verachtete Wolke, dehnt sich aus und bedeckt den blauen Himmel mit einem dunklen Schleier. Und diese schrecklichen Stürme, die das Meer bis zum Grund aufwühlen, den Schiffen Takelwerk und Segel zerstören, haben ihren Ursprung nur in diesen anfangs unmerklichen Dünsten.
Die Geschichte dieser Stürme ist auch die Geschichte des Lebens.
Wie viele bedeutungslose Umstände gibt es doch, die so furchtbar und folgenschwer für uns sind! Der Mensch hält es nur nicht der Mühe wert, sich darum zu kümmern, oder beschäftigt sich nur einen Augenblick mit ihnen, um sie sogleich zu vergessen; gerade wie die drei Jäger es mit dem Rindenkanu gemacht hatten, das für sie die sturmbringende Wolke der Wendekreise geworden war.
In dem Augenblick, wo wir die Szenen, die die Entwicklung unserer Erzählung bezeichnen werden, auf einen entfernten Schauplatz verlegen, bitten wir den Leser, sich an einige Ereignisse zu erinnern, weil sie die Vergangenheit eng mit der Zukunft verbinden.
Man wird vielleicht nicht vergessen haben, daß in der Unterhaltung des Mestizen mit dem Schwarzen Falken der Pirat einige Worte in das Ohr des indianischen Häuptlings geflüstert hatte und daß die Augen des Apachenkriegers bei diesen Worten Blitze des Zorns sprühten. Der Mestize hatte damit geschlossen, daß er den Schwarzen Falken hoffen ließ, er werde seinen Händen für seinen Gefangenen Baraja einen Indianer mit starkem Herzen und stählernen Fersen überliefern; er werde seine im Kampf getöteten Pferde wieder ersetzen; und er hatte ihm endlich den dritten Tag bezeichnet, an dem er mit ihm bei der Vereinigung des Red River am Büffelsee zusammentreffen wolle.
Nachdem wir dies in Erinnerung gebracht haben, wollen wir kurz auf die Ereignisse zurückkommen, die sich in der Hacienda del Venado zugetragen hatten. Dieser Rückblick ist für das Verständnis der Tatsachen, deren Erzählung folgen wird, durchaus notwendig; er ist außerdem auch noch notwendig, um der Einheit des Ganzen willen. Vielleicht haben wir uns auch zu lange und zu gern bei den wilden Szenen des Steppenlebens aufgehalten, das auch wir zuweilen geführt haben.
Eine Landschaft wird nach unserer Meinung nur durch gewisse Kontraste vervollständigt. Die Einbildungskraft ermüdet bald bei der Betrachtung von Gegenden, die nur zerrissene Felsen, senkrechte Berge und düstere Wälder darstellen. Das Auge fühlt bald ebenso wie die
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