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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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der Tat dahin gebracht, daß er einen sehr kriegerischen Schlaf gehabt hatte. Der Senator, der nach der Abreise des spanischen Señors wieder eingeschlafen war, hatte im Traum die Zentauren in allen Reiterkünsten verdunkelt; aber sein Erwachen hatte ihm die unangenehme Wirklichkeit gezeigt, und er war entschlossen, sich mit der Rolle des zu den Füßen der Omphale spinnenden Herkules als weniger bloßstellend und leichter ausführbar zu begnügen.
    Was Rosarita anlangt, so war ihr Unwohlsein nur das gebieterische Bedürfnis, in träumerischer Einsamkeit allein zu bleiben, und sie hatte sich erst im Augenblick der Abreise nur darum so plötzlich unwohl gefühlt, damit eine Partie nicht verschoben würde, die ihr die so ersehnte Einsamkeit verschaffen sollte.
    Wenn sich im Herzen einer Frau eine plötzliche Liebe Bahn bricht, die sie schon lange Zeit, ohne ihre Macht zu ahnen, gefühlt hat, so liegt im ungestümen Klopfen ihres Herzens etwas von der Bestürzung, die ein Gott empfinden würde, der die Strahlen seiner Göttlichkeit von sich abfallen sähe; es liegt etwas von jenem Neuen darin, das man beim Anblick der Blitze an einem heiteren Himmel oder beim Anblick der Flamme fühlt, die der Vulkan unter dem blendendweißen Schnee hervorsprüht, den bis jetzt die untergehende Sonne allein mit Purpur bedeckte. Hat das Herz der Jungfrau, die sich selbst noch nicht kennt, nicht den Glanz der göttlichen Strahlen? Ist es nicht wie der Azur des Himmels und wie der weiße und unbefleckte Schnee auf den hohen Bergen?
    Rosarita befragte sich abermals im Schweigen der Einsamkeit; Stimmen, die sie bis jetzt nicht gekannt hatte, sangen ihr die keuschen Melodien der keimenden Liebe ins Ohr; dann fühlte sie in der Seele eine unermeßliche Leere, denn der, dessen Name von diesen Stimmen genannt wurde, war nicht mehr da. Wo war er? Und die Tage verflossen, ohne daß es ihr jemand hätte sagen können.
    Während dieser ganzen Zeit hatte der Senator geschickt genug – man muß es anerkennen – den Platz bestürmt, den er zur Übergabe bringen sollte. Dank des ausgedehnten Kredits, den ihm Don Estévan auf die Kasse des Hacenderos eröffnet hatte und den Tragaduros nicht mehr schonte, als ob er sich niemals hätte erschöpfen können, war es gelungen, den tiefen Kummer des jungen Mädchens durch Zerstreuungen nach und nach ein wenig zu lindern.
    Geschenke, Überraschungen, die von einer stets bereiten Artigkeit und von einem sehr verliebten Herzen zeugen, üben immer auf die Frauen einen mächtigen Reiz aus, der ihre Eigenliebe kitzelt und endlich nach und nach den Weg zu ihrem Herzen bahnt. Der Senator besaß außerdem ein unerschütterliches Vertrauen auf seine eigenen Verdienste. Es ist gerade keine schlechte Taktik bei den Frauen, sich unaufhörlich selbst zu rühmen. Sie kommen endlich dadurch, daß ein Mann Loblieder auf seine eigenen Vorzüge singt, zu dem Punkt, etwas davon zu glauben – denn jede Überzeugung ist ansteckend.
    Tragaduros besaß also die Kunst, sich selbst Lobreden zu halten, indem er die außergewöhnlichen Eigenschaften, die er sich wohlgefällig beilegte, der Liebe zuschrieb, die er für Rosarita fühlte. Für eine Tochter Evas ist aber die Weigerung, sich davon überzeugen zu lassen, soviel wie eine Verkennung ihrer Gewalt, und wenige unter ihnen sind gegen sich selbst bis zu diesem Punkt ungerecht. Dann ist man auch immer etwas parteiisch für die Frucht seiner Werke, und die Frau, die anfängt, sich in ihrem Werk zu gefallen, ist zuletzt nahe dran, es anderen nicht abtreten zu wollen. Wohin gelangt man nicht Schritt für Schritt?
    Die Abwesenheit hat gewiß ihre Vorteile. Sie verleiht dem Abwesenden wie das ferne, tiefe Blau des Himmels der Landschaft einen unendlichen Reiz; aber das ist nur unter der Bedingung der Fall, daß sie nicht zu lange dauert; und die Abwesenheit des armen Fabian drohte sich maßlos zu verlängern. Wir wollen jedoch für diejenigen, die sich etwa für den Abwesenden interessieren, sagen, daß er noch mit Vorteil gegen die Bewerbungen seines zurückgebliebenen Nebenbuhlers kämpfte.
    Das war die Lage der Dinge in der Hacienda del Venado ungefähr vierzehn Tage nach der Abreise Don Estévans, das heißt, kurz vor dem Zeitpunkt, wo wir die Expedition, die der spanische Señor befehligte, beim Aufschlagen ihres Lagers in der Steppe wiedergefunden haben.
    Don Agustin hatte nur der Einsamkeit, in der seine Tochter lebte, die Schwermut zugeschrieben, die sich auf ihrem Gesicht

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