Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
Vom Netzwerk:
nicht anblicken kann, ohne von ihnen abgestoßen zu werden.
    Doña Rosarita lenkte ihr Pferd nach dem ihres Vaters, während der jüngste der beiden Reiter das seinige anhielt, um einen Flammenblick auf das Antlitz des jungen Mädchens zu werfen, von dessen Schönheit er lebhaft betroffen schien.
    Die beiden Reiter wechselten einige Worte in einer Sprache, die die Mexikaner nicht verstanden, und ritten vorüber, jedoch nicht, ohne daß sich der jüngere mehrmals umwandte, um mit den Augen dem wallenden Schleier und der geschmeidigen Gestalt der Tochter Don Agustins zu folgen; dann verschwanden sie beide im Schatten des Abends.
    »Ich habe niemals zwei Papagos gesehen«, sagte Rosarita mit einem Gefühl der Unruhe, »die ein solches Gesicht gehabt hätten.«
    »Oder die auf solche Art bewaffnet gewesen wären.« fügte der Senator hinzu: »Sie sehen aus wie zwei Wölfe in Schafskleidern.«
    »Bah«, erwiderte Don Agustin, »es gibt überall Schelmengesichter; selbst unter den Papagos. Was liegt uns zuletzt daran, zu wissen, was diese beiden Indianer sein könnten? Wir sind hier zahlreich genug und ebensogut bewaffnet wie sie.«
    Die Reisenden setzten ihren Weg fort; nichtsdestoweniger aber schienen diese beiden Unbekannten einen Hauch von unheilverkündender Vorbedeutung in der Luft zurückgelassen zu haben. Während der Zeit, in der man das Nachtlager erreichte, mischte sich der abgemessene Schritt der Pferde auf dem trockenen, dröhnenden Boden mit dem letzten Zirpen der Grillen, die erst mit der Dunkelheit schwiegen.
    Bald kündigte ein im Feld brennendes Feuer den Reisenden den Ort an, den die vorausgegangenen Diener gewählt hatten, um dort bis zum folgenden Tag haltzumachen.
    Ein kleines seidenes Zelt, das Tragaduros' Galanterie gerade für diese Reise von Arizpe hatte kommen lassen, wurde für Doña Rosarita unter einer Baumgruppe aufgeschlagen. Als die Abendmahlzeit eingenommen war, zog sie sich unter ihr Zelt zurück, aber sie suchte vergebens den Schlaf auf ihrem mit Spitzen besetzten Kissen. Sie dachte an die Nacht, wo Tiburcio, als sie ihn zum erstenmal sah, nicht weit von ihr schlief, und sie lauschte – wie es Tiburcio selbst in jener Nacht getan hatte – mit einer Träne und einem Lächeln dem Bach, der neben ihr murmelte, dem Glöckchen der Capitana-Stute, dem fernen Geheul des Schakals, dem Geschrei des Nachtvogels – mit allen jenen unbestimmten Klängen der Steppe, die so viele Echos in einem zwanzigjährigen Herzen erwecken.
    Was hätte Fabian wohl gegeben, um am folgenden Tag, als die Tochter Don Agustins des Morgens aus ihrer seidenen Wohnung trat, um aufs Pferd zu steigen, die bezaubernde Blässe ihres Gesichts zu sehen, die die Schlaflosigkeit, deren Ursache er gewesen war, darauf zurückgelassen hatte.
    Der Reiterzug setzte sich in Marsch wie am vorhergehenden Tag; Rosarita war heute noch zerstreuter als gestern. Jene Erinnerungen, die sie in der Hacienda zurückgelassen glaubte, tauchten überall auf, rings um sie her; denn die Liebe ist erfinderisch, in jedem Augenblick überraschende Ähnlichkeiten – auch in den fernsten Anklängen – zu finden. Was auch gewisse mürrische Geister sagen mögen – die menschliche Einbildungskraft ist ebenso geschickt, sich süße Traumbilder zu schaffen, als sich mit trostlosen Trugbildern zu beschäftigen.
    Auf der ganzen Reise von der Hacienda bis zum Büffelsee – denn so hieß der Ort, wohin sich der Reiterzug begab – schien die Wirklichkeit Fabian zu begünstigen und der Einbildungskraft nur wenig übrigzulassen.
    Nachdem man mehrere Stunden auf dem Marsch gewesen war, blieb der Senator einige Augenblicke zurück und holte dann den Zug wieder ein. Tragaduros brachte Rosarita im Triumph einen Strauß von Lianenblüten, den er schnell gepflückt hatte. Der Anblick dieser Glockenblumen mit prächtigen Farben entriß dem jungen Mädchen einen leisen Schrei der Überraschung, der als eine Belohnung für den galanten Senator gelten konnte; in dem Augenblick aber, wo ihm Rosarita danken wollte, fühlte sie, wie die Stimme ihr versagte, und sie wandte sich plötzlich um, damit man nicht auf ihrem Antlitz eine schmerzliche Bewegung lesen könne, während ihre Hand die vom Senator überreichten Blumen einzeln zur Erde fallen ließ.
    »Großer Gott – was fehlt Ihnen?« fragte Tragaduros überrascht und zugleich schmerzlich von dieser unerwarteten Bewegung berührt.
    »Nichts, nichts«, erwiderte das junge Mädchen und machte eine Anstrengung, um den so

Weitere Kostenlose Bücher