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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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plötzlich verschmähten Strauß festzuhalten.
    Rosarita gab bei diesen Worten ihrem Pferd die Reitpeitsche, das wie ein Pfeil davonflog. Sie mußte dem durch ihr Haar sausenden Wind einen schmerzlichen Seufzer anvertrauen, der sie fast erstickte. Rosarita hatte sich eben erinnert, daß auch Tiburcio einst Lianenblüten auf ihrem Weg für sie pflückte, und darum erschienen ihr diese hassenswert; sie zerknickte sie krampfhaft und warf sie weit weg.
    »Es war wohl irgendein giftiges Insekt in diesen Blüten?« fragte sie der Senator, als er wieder mit ihr zusammentraf.
    »Ja«, sagte Rosarita mit Aufregung und fühlte, daß ihre Wangen sich purpurn färbten wie die Blumen, die sie eben weggeworfen hatte. –
    Wir wissen jetzt genug von den geheimen Gefühlen Doña Rosaritas, so daß wir ihr nicht mehr Schritt für Schritt auf ihrer Reise folgen müssen. Wir lassen also den Reiterzug am Morgen des vierten Tages dicht beim Büffelsee anlangen, wohin wir ihm jedoch vorausgehen müssen.

58 Der Büffeljäger
    Wenn der Gila die Kette der Nebelberge durchbrochen hat, so vereinigt sich einer seiner Arme mit dem Red River, der sich, nachdem er Texas und das Jagdgebiet der Cayugas und der Komantschen durchströmt hat, nach einem Lauf von ungefähr 120 Meilen in den Golf von Mexiko ergießt.
    Sechzig Meilen von der Hacienda del Venado – man erstaune nicht über solche Entfernungen in einer Gegend, wo man sich auf zwanzig und dreißig Meilen als Nachbarn behandelt – und beinahe eine halbe Meile von dem Ort, der die Red Fork genannt wird, breitet sich ein ungeheurer Wald von Zedern, Korkeichen, Eichen, Sumachs und Wurzelträgern aus.
    Vom Saum dieses Waldes bis zur Gabel des Flusses bietet die Gegend nur eine Ebene mit so langem und dichtem Gras dar, daß ein Reiter auf seinem Pferd kaum mit dem Kopf über dieses wogende Meer von Grün hervorragt. An einer der geheimsten Stellen des Waldes, unter den dunkelsten, von den Gipfeln seiner großen Bäume gebildeten Laubgängen, an den Ufern eines so großen Teiches, daß man ihn wohl einen See nennen konnte, lagerten ein Dutzend Männer; die einen lehnten mit dem Rücken an den Stämmen vielhundertjähriger Eichen, die anderen schliefen ausgestreckt in dem dichten Gras, das die Ufer des Teiches bedeckte. Es war eine große, durchsichtige Wasserfläche von regelloser Form, etwa eine Art unregelmäßiger Vierecke. Dem Ufer gegenüber, wo sich diese Personen befanden, unter einem durch verschlungene Zweige gebildeten Gewölbe, verlor sich ein enger Kanal mitten unter einem Netz von Grün.
    Die Sonne war noch im Anfang ihres Laufes und warf Strahlen durch die dichte Decke dieses Kanals, deren Purpur sich schnell in ein bleicheres Goldgelb verwandelte. Das Morgenlicht schien strahlenweise auf die Oberfläche des Sees herab, auf der sich das Grün der Bäume und das Blau des Himmels gemeinsam widerspiegelten.
    Wasserpflanzen mit breiten Blättern und Seerosen entfalteten ihre glänzende Fläche und ihre einsamen Blumen mit goldenen und silbernen Kelchen, lange Girlanden von grünem Moos schwankten an den Zweigen der großen Zedern und hingen bis in das Wasser hinab, dessen kristallene Oberfläche sie spalteten. Das alles verlieh dem Teich den wildesten und malerischsten Anblick. Das war der Büffelsee. Diesen Namen hat er von den Tieren erhalten, deren Lieblingstränke er einst war. Die Büffel jedoch waren nach und nach von der Nähe der Menschen vertrieben worden; sie hatten ihn verlassen, um sich in einsamere Gegenden zurückzuziehen. Die vereinzelte Lage dieses Sees zog nichtsdestoweniger noch Herden wilder Pferde an seine Ufer, die seine unter tiefem Schatten verborgenen Gewässer dem offenen Ufer des benachbarten Flusses vorzogen, um ihren Durst zu löschen.
    Die Vaqueros Don Agustins hatten die Spuren einer zahlreichen Cavalcada bis hierher verfolgt, und sie erwarteten nur noch die für den Abend des Tages, wo wir sie am Ufer des Büffelsees finden, angezeigte Ankunft ihres Herrn, um die Jagd zu beginnen.
    Auf der einen Seite der Wasserfläche war ein breiter Raum erst kürzlich durch die Axt von den Bäumen gesäubert worden, die ihn bedeckten, und mit einer dicken, festen Umpfählung aus umgehauenen Baumstämmen versehen. Diese Stämme waren tief genug in die Erde gerammt, um eine unerschütterliche Einfriedung zu bilden; außerdem waren sie noch festgehalten und miteinander mittels lederner Büffelriemen verbunden, die man aus den noch frischen Häuten geschnitten hatte, die,

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