Der Waldläufer
der nach Beendigung des Kampfes unbeweglich vor mir stand und vergeblich den indianischen Stolz zu unterdrücken suchte, der seine Nasenflügel schwellte und seine Augen wider seinen Willen funkeln ließ.
›Main-Rouge und Sang-Mêlê haben den Streich ausgeübt, um mit den Apachen, ihren Verbündeten, die Waren der Weißen wegzunehmen‹, sagte der Indianer endlich.
›Wer sind Main-Rouge und Sang-Mêlê?‹ fragte ich den Komantschen.
›Zwei Piraten der Steppe; der eine weiß, ohne Mischung, der andere der Sohn des Weißen und einer roten Hündin aus den Prärien des Westens. Heute abend wird Rayon-Brûlant‹ – der Zündende Strahl, das war sein wahrhaftig wohlverdienter Name«, fügte Encinas hinzu –, »›wenn Ihr im Presidio gesagt haben werdet, was er für die Weißen getan hat, die sich seinem Wort anvertraut hatten, mit den beiden Komantschen, die er wieder mitnehmen will, auf der Spur der Piraten sein.‹
›Gewiß‹, sagte ich, ›werde ich Eurer Ehrlichkeit wie Eurem Mut Gerechtigkeit widerfahren lassen.‹
Nachdem ich Oho, der immer noch knurrte, den Maulkorb angelegt hatte«, schloß der Büffeljäger, »kehrten wir zum Presidio zurück, da ich daran dachte, das Gelübde, das ich getan hatte, zu erfüllen; der Indianer war stumm wie ein Fisch. Ich ließ seinem Verhalten Gerechtigkeit widerfahren; die beiden Geiseln wurden ihm zurückgegeben, und ich ging meinem Versprechen gemäß hierher und habe Rayon-Brûlant nicht wiedergesehen.«
»Das ist schade«, sagte der Neuling; »ich hätte wohl zu wissen gewünscht, was aus diesem jungen, kecken Mann geworden ist. Und wie viele Tage sind seit Eurem Abenteuer verflossen?«
»Fünf«, antwortete Encinas.
In diesem Augenblick kamen die Diener des Hacenderos und seines Gefolges an, um das Nachtlager für die Reisenden zu bereiten; sie meldeten zugleich, daß sie ihrem Herrn nur eine halbe Meile voraus seien.
59 Der Weiße Renner der Prärien
Zur großen Zufriedenheit des angehenden Vaqueros ließen sich die Büffeljäger, die im Begriff standen aufzubrechen, durch die Neugierde zurückhalten; er hoffte, daß Encinas bis zur Ankunft der Reisenden noch irgendeine Geschichte von Indianern aus den Erinnerungen seines abenteuerlichen Lebens für ihn hervorholen würde. Vielleicht wollte aber dieser nicht mehr von der Vergangenheit reden; vielleicht war auch das Gedächtnis des Büffeljägers auf dem trockenen – kurz, Encinas, der durch eine mühevolle Nacht schläfrig geworden war, schloß bald die Augen und schlief fest ein. –
Wir wollen diesen Augenblick benützen, um über die Jagd auf wilde Pferde im Nordwesten Mexikos einige noch unbekannte Einzelheiten mitzuteilen, die durch ihre Neuheit vielleicht nicht ohne Interesse sind und ganz passend ihre Stelle in einer Erzählung finden, deren Zweck die Schilderung der fremdartigen Sitten an den amerikanischen Grenzen ist.
Diese Jagden gehören zu den merkwürdigsten und anziehendsten Schauspielen in diesen fernen Gegenden, und auch die feurigste Schilderung ist nicht imstande, ein vollständiges Bild davon zu geben. Sie finden gewöhnlich in den Monaten November oder Dezember statt, das heißt zu der Zeit, wo die strömenden Regengüsse und das Schmelzen des Schnees auf den Bergen die Tränken wieder gefüllt haben und in den Ebenen und am Fuß der Mesquite wächst, eine Grasart, die die Pferde sehr gern fressen.
List, Geduld und jene Art wilden Instinkts, die man die Wissenschaft der Steppe nennen könnte, sind drei unentbehrliche Eigenschaften für die Jäger, wenn sie nicht nutzlos Zeit und Mühe verlieren wollen. Sechzig bis hundert entschlossene, gut berittene, mit gezähmten Pferden versehene Männer mit hinreichenden Lebensmitteln für zwanzig Tage oder einen Monat vereinigen sich für diese Art von Expeditionen, deren Schauplatz notwendigerweise von bewohnten Gegenden fern sein muß. Die Jäger brechen in kleinen Abteilungen auf – etwa sieben bis acht – und durchstreifen zehn bis zwölf Tage hindurch die unermeßlichen Ebenen und Einöden der Steppe, bis sie die Spuren einer Cavalcada mestena gefunden haben, Spuren, die übrigens leicht an der Verwüstung zu erkennen sind, die die Flucht dieser Tiere in den Wäldern anrichtet. Nachdem man einmal die Querencia – so heißt die Gegend, wo die Pferde sich am liebsten aufhalten – ausgewittert hat, suchen die Jäger nach der Tränke, die sich natürlich in der Umgebung befinden muß, denn die wilde Herde kann nicht lange Zeit in
Weitere Kostenlose Bücher