Der Waldläufer
befriedigt von den Antworten, die er erhalten hatte, ebenfalls in sein Zelt, um Siesta zu halten.
Als Doña Rosarita den Raum bis zu ihrem Zelt durchschritt, konnte sie sich nicht enthalten, einen erstaunten, fast erschrockenen Blick auf den sonderbaren Anzug und das wilde Aussehen der Büffeljäger zu werfen; aber die Tochter der Steppe war mit den Sitten und den verschiedenen Bewohnern der Gegend zu vertraut, um nicht sogleich das Gewerbe Encinas' und seiner rauhen Begleiter zu erkennen; sie lächelte über ihren Schrecken, hob den blauen Vorhang ihres Zeltes auf und verschwand vor den Augen aller wie der Vogel, der sich im Azur des Himmels verliert.
»Nun, was meint Ihr zu unserer jungen Gebieterin, Señor Encinas?« fragte der angehende Vaquero den Büffeljäger, der die Tochter Don Agustins zum erstenmal sah.
»Eine wahre Steppenblume«, antwortete Encinas. »Alle, die die Prärie durchstreifen, werden sich mit mehr Eifer bemühen, sie zu pflücken, als irgendeine Blume der Städte; sie ist eine Blume, die der Indianer gern in seine Hütte, der Jäger gern in sein Zelt verpflanzen möchte.«
»Nun, dieser junge Señor wird sie ohne Zweifel in seinen Palast führen«, sagte der Anfänger lachend und deutete auf den Senator Tragaduros.
»Wer weiß?« erwiderte Encinas. »Ich habe schon mehr als einen Büffel, den ich sicher zu haben glaubte, tödlich verwundet, und doch haben ihn Indianer und Wölfe fern von mir zerrissen.«
In diesem Augenblick ließ Oho ein ganz besonderes Knurren vernehmen. Es war nicht mehr jenes klagende Geheul, das, nach dem Ausdruck des Jägers, eine Erinnerung an den abwesenden Gefährten bedeutete. In dem Anschlagen der Dogge lag etwas wie ein dumpfer Zorn.
»Was soll das bedeuten, Meister Encinas?« fragte der beunruhigte Anfänger.
»Nichts«, antwortete der Jäger, nachdem er einen Blick auf Oho geworfen hatte, dessen Auge einen Augenblick funkelte und dann wieder erlosch. »Oho wird wohl von irgendeinem Indianer geträumt haben und sendet ihm eine Verwünschung in seiner Sprache zu.« –
Es war ungefähr fünf Uhr nachmittags, als die Reisenden nach ihrer Siesta aus dem Zelt traten. Der Büffelsee bot jetzt einen nicht so wilden, aber nicht weniger malerischen Anblick dar. An seinen Ufern erhob sich das seidene Zelt Rosaritas in einiger Entfernung von dem des Senators und des Hacenderos. Seine himmelblauen Falten strahlten von der durchsichtigen Oberfläche des Sees zurück, mitten unter den Wasserpflanzen und den zurückgeworfenen Bildern der Eichen mit knorrigen Stämmen und einer Ecke des blauen Himmels.
Die zum Wechseln bestimmt gewesenen Pferde schweiften frei unter dem dichten Gewölbe des Waldes umher; die Tiere der so sonderbar gekleideten Büffeljäger streckten die Köpfe über die Palisaden, in denen sie eingeschlossen waren; endlich hatte auch Doña Rosarita ihren Reitanzug durch ein weißes Kleid ersetzt und glich darin einer weißen Blüte der Seerose. Alles bildete an den Ufern ein Gemälde, das ein Maler mit Vergnügen gezeichnet hätte.
Die Büffeljäger standen im Begriff, ihr mühevolles Tagwerk in dem Augenblick zu beginnen, wo die Reisenden damit zu Ende waren; sie wollten ihre Pferde satteln, um weit vom Büffelsee die Ufer des Flusses nach ihrem gewaltigen Wild abzutreiben.
»Nun, was gibt es, Oho?« sagte Encinas zu seiner Dogge, die abermals heulte. »Ist irgendein Indianer in der Nähe?«
»Indianer?« rief Rosarita erschrocken. »Sind sie denn bis in diese Gegend gekommen?«
»Nein, Señorita«, sagte Encinas, »es gibt keine Spur von ihnen in der Nähe, sofern sie nicht wie die Eichhörnchen oder die wilden Katzen von einem Gipfel eines Baumes auf den anderen gesprungen sind; aber dieser Hund ...« Und der Büffeljäger verfolgte mit den Augen die Bewegungen Ohos, dessen Augen einen Augenblick rot wurden und dessen Haare sich sträubten; er machte wütend zwei oder drei Sprünge vorwärts, kehrte dann ruhiger zurück und legte sich immer noch knurrend ins Gras.
Die Dogge heulte also nicht ohne Grund. Encinas beeilte sich nichtsdestoweniger, seine Zuhörer zu beruhigen. »Dieser Hund«, sagte er, »ist abgerichtet, mit den wilden Indianern zu kämpfen, und er wittert sie von weitem; er ist aber ruhig geworden, und das ist ein Zeichen, daß er einen Augenblick von seinem Instinkt getäuscht worden ist. Es bleibt uns jetzt nur noch übrig, von Euer Gnaden Abschied zu nehmen und Ihnen eine gute, glückliche Jagd zu wünschen.«
Encinas
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