Der Waldläufer
Ehre lieber glauben, daß im Gegenteil die Indianer dieses Geheul von den Hunden entlehnt haben.« »Laßt es gut sein«, erwiderte Encinas. »Oho beweint seinen Gefährten, den einer von diesen Apachenschelmen mit einem Lanzenstoß an den Boden genagelt hat. Freilich hatte er auch schon zwei von ihnen niedergemacht. Ach, mein armer Pasqual, damals glaubte ich gewiß, daß ich in meinem Leben keine Büffel wieder – weder mit Euch noch mit anderen – jagen würde.«
Der Büffeljäger, den man Encinas nannte, wurde von seinem Gefährten unterbrochen, der eine Erzählung, von der er schon die geringsten Umstände von Grund aus kannte, noch einmal zu hören fürchtete.
»Auf, Encinas!« sagte er. »Da Ihr nun Euer Gelübde, barfuß zur Madonna am See zu wallen und zu ihren Füßen zu beten, erfüllt habt und diese Vaqueros unsere Dienste nicht mehr brauchen, so dächte ich, es wäre Zeit, uns wieder auf die Jagd zu begeben; wir haben schon drei Tage verloren, und unsere blutigen Häute werden die wilden Pferde hindern, sich ihrer Tränke zu nähern – ein doppelter Grund, um uns nicht länger hier aufzuhalten.«
»Wir haben bis zum Sonnenuntergang nichts zu tun!« antwortete Encinas. »Laßt uns nur hier bleiben.«
»Oh, Ihr seid uns durchaus nicht im Weg!« rief der jüngste Vaquero der Hacienda, der die durch Pasqual bewirkte Unterbrechung der Erzählung nicht gern zu sehen schien.
Es war dies ein junger Mann, aus dem Presidio gebürtig, den sein Vater mitschickte, um eine rauhe Lehrzeit im abenteuerlichen Leben mit seinen alten Gefährten durchzumachen. Er war erst vor einigen Wochen zu denen gekommen, die seine Lehrmeister sein sollten, und wie alle Neulinge in einem Gewerbe – welcher Art es auch sein mag – war er begierig, die Erzählungen von Leuten zu hören, die das Gewerbe, dem er sich auch widmete, schon länger betrieben hatten.
»Señor Encinas«, sagte er und näherte sich den beiden Jägern in der Hoffnung, durch Fragen die Ereignisse des letzten Zuges kennenzulernen, auf dem Encinas beinahe das Leben verloren hatte, »ich höre es nicht gern, wenn Euer Hund so heult, ich ...«
Ein neues Geheul der Dogge unterbrach den jungen Mann, der nicht ohne einige Besorgnis fragte, ob Oho nicht etwa zufällig einen Indianer wittere und darum so seine Stimme erhebe.
»Nein, mein Junge«, antwortete Encinas, »er spricht nach seiner Weise nur seinen Kummer aus. Wenn irgendein Indianer hier herumstreifte, so würdet Ihr sehen, daß sein Haar sich sträubte und seine Augen rot würden wie glühende Kohlen; er wäre dann nicht ruhig und unbeweglich wie jetzt. Also beruhigt Euch.«
»Gut!« sagte der junge Mann und streckte sich aufs Gras neben Encinas nieder. »Ich habe nur noch eine Frage an Euch zu richten: Habt Ihr auf Euren Streifzügen jenseits Tubacs nichts vom Schicksal einer Expedition gehört, die heute vor vierzehn Tagen aufgebrochen ist? Ich hatte einen Onkel dabei, Don Manuel Baraja, um den wir sehr besorgt sind.«
»Den wenigen Worten nach, die ich von drei Biberjägern vernommen habe, die der Expedition in der Nähe folgten, muß ich glauben, daß die Spuren einer größeren Abteilung Indianer, die Pasqual und ich bei unserer Trennung von den drei Jägern, die auf einer kleinen Insel Posten fassen wollten, wohl erkannt haben, dieser Expedition nichts Gutes prophezeiten. Ich fürchte, daß Ihr in diesen Tagen werdet sagen können: Mein seliger Onkel.«
»Ach, glaubt Ihr, daß er – selig ist?« antwortete der Neuling mit der naivsten und vollständigsten Kaltblütigkeit.
»Es war nicht lange her«, erwiderte Encinas, »daß der junge Komantsche ...«
Der angehende Vaquero unterbrach abermals den Büffeljäger: »Wißt Ihr wohl, Señor Encinas, daß Ihr viel besser daran tun würdet, mir dies alles gehörig von Anfang an zu erzählen, als mit dem Ende zu beginnen? Was wolltet Ihr denn im Land der Wilden?«
»Was ich dort wollte?« antwortete Encinas, der wie alle Veteranen der Steppe nichts lieber sah als einen aufmerksamen, stets fragenden Zuhörer wie diesen Vaquero und wie wir es selbst gelegentlich so oft gewesen sind. »Ich will es Euch sagen. Während ich mich im Presidio befand, war ein Abgesandter der Komantschen, die, wie Ihr wißt, die Todfeinde der Apachen sind, dort angekommen. Der Indianer schlug uns im Namen des Häuptlings des Stammes einen Handel mit Büffelhäuten gegen Glaswaren, Messer und Wolldecken vor; und es befand sich gerade in Tubac ein reisender Handelsmann aus
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