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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Koketterie einer Nymphe, die sich allein glaubt, seinen Hals, um sich besser sehen zu können, und setzte vorsichtig seine beiden Vorderfüße ins Wasser. Diese Bewegung war noch so leicht, daß kein Schlamm die Durchsichtigkeit der Wasserfläche trübte, die ganz die stolze und wilde Schönheit seiner Formen zurückwarf.
    »Ah, Señor Encinas«, sagte der Neuling ganz leise, »jetzt oder niemals ist der Augenblick da, den Lasso nach ihm zu werfen.«
    »Ich bezweifle es, ich bezweifle es; demjenigen, der das Präriepferd fangen will, begegnet immer ein Unglück; denn, seht Ihr, es ist ganz gewiß, nur dieses allein ist so schön unter allen Pferden der Wälder.«
    Der Renner mit dem weißen Schwanenhals kniete im Wasser nieder, schnaubte dumpf über die Oberfläche hin und begann zu trinken, indem er von Zeit zu Zeit den Kopf emporhob und mit ängstlichen Augen die Tiefen des Waldes durchforschte.
    Die Jäger konnten bemerken, wie sich der Körper eines Vaqueros über die Palisaden erhob und dann auf den Hals seines Pferdes niederbog. Sein Gefährte machte es ebenso.
    Plötzlich machte das scheue Tier einen Sprung des Schreckens, wodurch eine Schaumwolke in die Luft geschleudert wurde; es schien aus dieser herauszuspringen und stürzte dann zum Ufer. Im selben Augenblick sprengte einer der Vaqueros darauf zu und ließ seinen Lasso um den Kopf kreisen. Der geflochtene Riemen pfiff durch die Luft– aber nicht, ohne daß das Pferd des Reiters bei einem zu raschen Sprung längs des steilen Abhangs ausgeglitten wäre. Reiter und Pferd überschlugen sich und rollten in den See.
    »Ich hatte es Euch gesagt!« rief der Büffeljäger, den dieses unvorhergesehene Ereignis in seinen abergläubischen Ansichten bestärkte. »Seht nur, wie der unnahbare Renner sich von der Schlinge losmacht.«
    Das Pferd schüttelte in der Tat seinen edlen Kopf und ließ seine lange Mähne auf der Flucht herabwallen. Der wilde Stolz des kühnen Tieres empörte sich bei der unreinen Berührung des durch die Hand des Menschen auf ihn geschleuderten Lassos, und bald hatte es ihn weit von sich geworfen und verließ den See auf dem entgegengesetzten Ufer.
    Aber schon war der zweite Vaquero ebenfalls den Spuren des Flüchtlings nachgesprengt. Einige Augenblicke hindurch fand ein wunderbarer Kampf an Gewandtheit und Geschicklichkeit zwischen dem wilden Pferd und dem ungestümen Reiter statt, der es mit dem Lasso in der Hand verfolgte. Nichts schien ihn aufhalten zu können; weder Baumstämme, an denen er sich scheinbar zerschmettern mußte, noch niedere Zweige, die ihm den Schädel zu spalten drohten. Wie ein gewandter Zentaur beseitigte der Vaquero alle diese anscheinend unüberwindlichen Hindernisse. Der Reiter legte sich bald ganz auf seinen Sattel, bald schwebte er an den Flanken seines Pferdes, bald hing er ganz unter dessen Bauch, während seine langen Sporen ihm wieder in Sattel halfen und er sich wie eine Schlange unter den Zweigen und durch die Baumstämme hindurchwand. Bald verschwanden das weiße Pferd und der Vaquero aus aller Augen.
    Alle Jäger sprangen mit einem Mal aus ihrem Hinterhalt hervor und stießen ermutigende und freudige Hurrarufe aus. Das Schauspiel, dem sie eben beigewohnt hatten, war für sich allein beinahe ebensoviel wert als der Fang von zwanzig wilden Pferden.
    Als der Vaquero, vom Wasser triefend und mit schlammbesudelten Kleidern, aus dem See herauskam, näherte sich ihm Encinas, um ihn zu trösten. »Ihr seid noch glücklich genug«, sagte er, »so wohlfeilen Kaufes davongekommen zu sein. Ich wollte, ich könnte das auch von Eurem Gefährten sagen; denn man sieht diejenigen nicht wieder zurückkommen, die den Weißen Renner der Prärien zu eifrig verfolgen.«

60 Der Versicherer und der Versicherte
    Als sich die erste Verwirrung gelegt hatte, schickte Don Agustin vier von den am Büffelsee lagernden Vaqueros mit dem Befehl an die vier Wald und Ebene abtreibenden Trupps ab, den Kreis, den sie um die Tränke gezogen hatten, in der nächsten Nacht zu verengen. Man zweifelte jetzt nicht mehr daran, daß sich die Herde von Pferden, die man fangen wollte, in der Nähe befinde, und morgen um dieselbe Stunde glaubte man zum Ziel zu gelangen.
    Als die vier Reiter aufgebrochen waren, um den erhaltenen Befehl auszuführen, beschäftigten sich die bei Don Agustin zurückgebliebenen Diener damit, das zum Feuer nötige Holz abzuhauen, mit dem man die Abendmahlzeit bereitete und das die Nacht hindurch das Lager erleuchten sollte. Die

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