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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Büffeljäger halfen den Vaqueros Don Agustins – Encinas ausgenommen, mit dem sich Doña Rosarita einen Augenblick zu unterhalten wünschte, während ihr Vater und der Senator allein auf und ab gingen und ohne Zweifel ihre Pläne für die Zukunft besprachen.
    Das junge Mädchen saß am Ufer des Sees und entblätterte mit zerstreuter Hand die Blüten der Wasserlilien, die der Senator für sie gepflückt hatte. Ein frischer Wind kräuselte die ruhige Fläche des Sees, auf den sie träumerisch ihre Blicke warf. Weiß und geschmeidig wie eine Undine träumte Rosarita, während ihr der Büffeljäger von den Gefahren erzählte, die den einsamen Reisenden in der Steppe umringen. Sie dachte aber nicht an ihre eigenen; alle ihre Gedanken waren vielmehr auf den jungen Mann gerichtet, der sich in der Nacht so plötzlich entfernt hatte und von dem sie seit vierzehn Tagen nicht hatte reden hören. Auf einige schüchterne Erkundigungen, die sie einzog, hatte sie die Antwort erhalten, daß weder auf der Straße nach Guaymas noch auf der nach Arizpe der Adoptivsohn von Arellanos gesehen worden sei. Ein Vaquero hatte seine Hütte verlassen gefunden und keine Spur seiner Rückkehr an dem Ort gesehen, wo seine Jugend verflossen war. Er hatte also nur den Weg nach Tubac einschlagen können; und gerade bei Tubac begannen die Gefahren, von denen sie für Tiburcio fürchtete. Encinas kam vom Presidio, und das junge Mädchen hoffte, durch ihn vielleicht einige Nachrichten von dem zu erhalten, mit dem ihre Erinnerung sich unaufhörlich beschäftigt hatte.
    Die Dämmerung breitete sich schon düster über die Oberfläche des Sees, der den von der untergehenden Sonne rotgefärbten Himmel zurückstrahlte. Es war die Stunde, wo die feuchten Dünste des Sees sich über dem Wald verdichten und die Vögel aufhören, dem Tag Abschiedslieder zuzusingen. Der Abendwind murmelte unbestimmte Klänge in Rosaritas Ohr, die bis zu ihrem Herzen drangen, und das Herz sandte dem Ohr Melodien zurück, die so sanft und schwermütig waren wie der Abendwind. Sie hörte die Stimme des Windes, ohne zu zittern, aber sie fühlte sich verwirrt und zitterte bei den Antworten, die ihr Herz dem sanften Hauch der Abendluft gab. Rosarita liebte, und die plötzlich erwachten Gefühle der Tochter des tropischen Himmels vereinigten ihr erstes, geheimnisvolles Flüstern mit der Aufregung ihres Herzens. So hörte sie kaum auf die Erzählungen des Büffeljägers, der von seinen Kämpfen mit den Indianern sprach – als sie ihn plötzlich mit dem Ruf des Schreckens unterbrach, worauf Don Agustin, der Senator und einige der Leute herbeieilten. Rosarita blickte bleichen Antlitzes nach einer Richtung, die sie gleichzeitig mit dem Finger andeutete, und die Figur, auf die sie wies, war wirklich derart, daß ihr Schrecken gerechtfertigt war. Unter dem Laubdach, das sich über dem düsteren Kanal wölbte, in den sich die Gewässer des Sees verloren, näherte sich vorsichtig ein menschliches Wesen. An seinem schrecklichen und sonderbaren Kopfputz, an den Malereien seines Gesichts und seines Körpers, an den Tätowierungen konnte man den Indianer nicht verkennen.
    Selbst Encinas teilte einen Augenblick die mit Schrecken gemischte Bestürzung der Zeugen dieser fremdartigen Erscheinung. Bald aber beruhigte er mit einem Wink Don Agustin, der sich schon den am Eingang des Zeltes aufgehängten Waffen näherte, den Senator, den der Schrecken an seinen Platz fesselte, und das junge Mädchen selbst. »Es ist nichts!« sagte der Büffeljäger. »Es ist ein Freund von einem in der Tat schrecklichen Aussehen; es ist derjenige, dem ich so sehr zu Dank verpflichtet bin, wie ich es eben der Señorita erzählte.« Um einen letzten Rest von Mißtrauen bei seinen Zuhörern vollends zu verscheuchen, näherte sich Encinas ruhig dem Indianer. Dieser hatte übrigens beim Anblick der am Ufer sitzenden Personen die Büchse, die er in der Hand hatte, über die Schulter geworfen. Er ging um den Teich herum, um bis zu dem Büffeljäger zu gelangen.
    Er war ein junger Krieger mit eleganten, nervigen Körperformen und elastischem, stolzem Schritt. Seine breiten Schultern und die starke Brust waren nackt; um seine engen, gerundeten Hüften schlang sich eine feine Zarapa aus »Santillo« in glänzenden, verschiedenartigen Farben. Gamaschen aus scharlachrotem Tuch bedeckten seine Unterschenkel; aus Pferdehaar gestickte Kniebänder und merkwürdig aus Borsten des Stachelschweins gearbeitete Eicheln umschlossen diese

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