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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Packsättel und Flaschenfutter wurden an einen abgelegenen Ort getragen; dann wurden frische Zweige abgehauen, um mit ihrem saftigen Laub diejenigen zu bedecken, die die Sonne schon verwelkt hatte. Nur zwei Pferde wurden gesattelt; es waren die schnellsten, und sie wurden von denjenigen Vaqueros Don Agustins geritten, die durch ihre Geschicklichkeit im Werfen des Lassos mit dem fliegenden Knoten den größten Ruf hatten.
    Nun setzten sich der Senator, Don Agustin und seine Tochter auf die Schwelle des Zeltes, dessen Vorhang so niedergelassen wurde, daß sie von den unruhigen Augen der wilden Pferde nicht gesehen wurden, ohne doch selbst den See aus den Blicken zu verlieren. Die Vaqueros und die Büffeljäger stellten sich der Seite gegenüber, wo die Tiere, den zurückgelassenen Spuren nach zu urteilen, gewöhnlich zur Tränke gingen. Nur die beiden anderen Vaqueros bargen sich mit ihren Pferden im Corral in der Nähe der frei gebliebenen Öffnung, die nötigenfalls durch lange bewegliche Querstangen verschlossen werden konnte; so warteten die Jäger.
    Mit Ausnahme der Zelte der drei Reisenden schienen der See und seine Umgebung öde. Die Sonne war eben hinter den Bäumen verschwunden; lange purpurne Strahlen glänzten schon durch ihr Laub und röteten das Wasser des Sees. Die weißen Kelche der Seelilien färbten sich rosig, und die Vögel des Waldes begannen, als ob jede menschliche Spur verwischt wäre, überall ihre Abendlieder zu singen.
    Während solchen Wartens färbte die Ungeduld die bleichen Wangen Rosaritas wie die untergehende Sonne die Wasserlilien; plötzlich ließ sich fern im Wald ein dumpfes Krachen vernehmen. Anstatt aber wie der Donner der Lawine immer lauter zu werden – wie es der Fall ist, wenn zwei- bis dreihundert durstige Pferde zu ihrer Tränke stürzen, die jungen Bäume zertreten und die Erde unter ihren Hufen erzittern lassen –, hörte das ferne Geräusch plötzlich auf. Die wilde Herde hatte ohne Zweifel den fremdartigen Anblick der vom Fuß des Menschen betretenen Gegend bemerkt und stand von Schrecken ergriffen still. Nur einige wiehernde Laute klangen wie Trompetenstöße herüber in die Ohren der im Hinterhalt liegenden Jäger.
    Bald jedoch krachten die Gebüsche abermals, und ein halbes Dutzend Pferde zeigte kühner als die anderen am Saum der Lichtung die emporgerichteten Köpfe, die roten, offenen Nüstern und die blitzenden Augen. Die Mähnen wallten einen Augenblick unter den ungestümen Bewegungen hin und her, dann stürzten im Nu fünf von ihnen wieder zurück und verschwanden wie Blitze mitten im grünen Gürtel des Waldes.
    Ein einziger von den Rennern war, auf seinen Füßen zitternd, den Hals nach dem See hin ausgestreckt, stehengeblieben. Das Pferd war weiß wie der Schnee, mit glänzendem Schwanenhals; sein Rücken war rund, seine Brust breit. Ein Büschel von weißen Haaren lag auf seiner Stirn zwischen zwei wilden Augen; der Schweif fegte seine nervigen Fersen. Der Ausdruck wilder Majestät lag in seiner ganzen zugleich furchtsamen und stolzen Haltung.
    »Gott verzeihe mir«, sagte Encinas ganz leise dem Neuling ins Ohr, der seine Gründe gehabt hatte, seinen Beobachtungsposten an der Seite des Büffeljägers einzunehmen; »das ist der Weiße Renner der Prärien!«
    »Der Weiße Renner der Prärien?« wiederholte der angehende Vaquero. »Was ist das?«
    »Ein weißes Pferd wie das da«, antwortete Encinas, »dem man sich nur selten nähern kann; von dem diejenigen, die es zu weit verfolgen, nicht mehr reden können und das man noch niemals zu fangen vermocht hat.«
    »Bah, Ihr werdet mir doch das erzählen?«
    »Still! Erschreckt es nicht, aber schaut es mit Euren beiden Augen an; Ihr werdet niemals ein solches Tier wiedersehen.«
    Es war in der Tat schwer, ein schöneres Muster jener prächtigen, wilden Rasse zu sehen, die in gewissen Gegenden Mexikos so allgemein verbreitet ist. Kraft und eleganter Bau vereinigten sich bei ihm so vollständig, daß das Herz eines Reiters vor wilder Lust, es zu besitzen, klopfte.
    Einige Sätze brachten es in die Nähe des Sees, und diese Sprünge waren so geschmeidig, so leichtfüßig, daß es über das Gras wie eine weiße Nebelwolke hinzuschweben schien. Mit einem weiteren Satz sprang das edle Tier auf das steile Ufer und blieb hier in dem Augenblick bebend stehen, als der kristallene See wie ein Spiegel seinen stolzen, feinen Kopf und seine kleinen vorgestreckten Ohren zurückstrahlte; dann verlängerte es mit der ganzen

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