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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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wäre, und weckte den spanischen Jäger.
    »Ach, du bist es Bois-Rosé?« fragte Pepe, die Augen öffnend. »Kannst du mir irgendeine Nahrung zum Ersatz für den Traum geben, dem du mich entreißt? Ich träumte ...«
    »Wenn man ein Werk vor sich hat, wie das ist, das uns zu tun noch übrigbleibt, so sind die Stunden zu kostbar, um zu schlafen!« unterbrach ihn Bois-Rosé mit feierlichem Ton. »Wir haben kein Recht, den Schlaf dieses Mannes zu stören«, fügte er, auf Gayferos deutend, hinzu; »er hat keinen Sohn zu retten. Aber wir, wir müssen Tag und Nacht marschieren.«
    »Das ist wahr; aber wohin marschieren?«
    »Jeder nach seiner Richtung. Du an den Ufern des einen Stromes, ich an denen des anderen; untersuchen, überall nach Spuren umherblicken, dann uns hier beim Anbruch des Tages wieder vereinigen – das ist es, was uns zu tun obliegt.«
    »Welche Trostlosigkeit herrscht um uns her!« sagte Pepe mit leiser Stimme und schauderte unter dem ersten Anfall von Entmutigung, die sich unmerklich in sein Herz schlich.
    Der Kanadier besaß noch seine ganze stolze, durch die Not noch nicht gezähmte Kraft und bemerkte nicht, daß die Energie seines Gefährten einen Augenblick geschwankt hatte.
    Pepe seinerseits hatte bald seinen sorglosen Mut zurückgerufen. »Hast du irgendeinen Gedanken in dieser Beziehung?« fügte er schnell hinzu.
    »Ja. Als ich zum erstenmal das Boot dieser beiden Männer, die uns so verderblich sind, für einen schwimmenden Baumstamm hielt, segelte es gerade nordwestlich um die Spitze dieser Berge. Es muß also gerade denselben Windstrich benutzt haben, um zurückzukehren. Hätte ich mitten in diesem Nebel die Stelle unterscheiden können, wo die Sonne untergegangen ist, so würde ich dich sogleich auf den rechten Weg bringen; aber nicht einmal der Polarstern glänzt am Himmel! Wenn du also nach einem einstündigen Marsch nicht die Ebene vor dir erblickst, so komm zu mir hierher zurück – ich werde sie dann ohne Zweifel gefunden haben.«
    Die beiden Jäger entfernten sich jeder nach seiner Seite und verloren einander bald aus den Augen.
    Der skalpierte Gambusino schlief noch, und als er endlich erwachte, bemerkte er, daß er allein war. Staunen und Unruhe jedoch waren bei ihm nur von kurzer Dauer; Pepe kehrte bald zu ihm zurück. Die ersten Strahlen des Tages mußten schon die Ebene erleuchten, obgleich unter dem Nebel der Berge die Morgendämmerung kaum begonnen hatte.
    Pepe war zurückgekehrt, nachdem er dem Lauf des Flusses mitten durch eine ununterbrochene Reihenfolge von steilen Felsen, drohenden Abhängen und hohen Hügeln gefolgt war; das Boot hatte also diese Richtung nicht eingeschlagen, soviel man es wenigstens aus dem Mangel jeglichen Anzeichens schließen konnte, das sicherer gewesen wäre als die Voraussetzungen des Kanadiers. Es kam jetzt nur darauf an, zu wissen, ob dieser glücklicher gewesen war.
    Eine weitere halbe Stunde war noch nicht verflossen, als Bois-Rosé ebenfalls zurückkehrte. »Vorwärts!« rief er aus der Ferne, sobald er nur seine beiden Gefährten erblickte. »Ich bin auf dem einzig richtigen Weg!«
    »Gott sei gelobt!« sagte Pepe. Und ohne den Kanadier weiter zu befragen, setzte er sich in Bereitschaft, diesem mit soviel Schnelligkeit zu folgen, als ihm die Schwäche erlaubte, die er zu fühlen anfing.
    Der Tag war in dem Augenblick angebrochen, als die kleine Schar endlich sah, wie der Fluß breiter wurde, mitten durch eine unermeßliche Ebene floß und die Strahlen der Sonne auf der Oberfläche der Gewässer funkelten. Der Kanadier ging voraus, dem Anschein nach unempfindlich gegen die Schmerzen des Hungers, die ihn nicht weniger als seine beiden Gefährten peinigten. Diese folgten ihm etwas entfernt voneinander; Pepe zuerst, indem er vergeblich versuchte, einen kriegerischen Marsch zu pfeifen, um seinen Magen auf andere Gedanken zu bringen; der Gambusino folgte zwanzig Schritt hinter dem Spanier und schleppte sich unter erstickten schmerzlichen Seufzern fort.
    Nachdem sie eine Stunde gegangen waren, rief der Kanadier, der immer vorausging, Pepe zu, an den Ort zu kommen, wo er haltgemacht hatte. Es war dies unter einer Gruppe von großen Bäumen, mitten im hohen, trockenen Gras, das der Jäger nur mit der Hälfte seines Körpers überragte. »Lauf doch!« rief Bois-Rosé mit einem Ton lustigen Vorwurfs aus. »Man sollte meinen, du hättest deine Beine in den Bergen vergessen!«
    »Sie sind in offener Empörung gegen mich, meine Beine«, antwortete Pepe.

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