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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Riesenkraft und vor allem das unauslöschliche Feuer seiner väterlichen Liebe einen Mann aus ihm machten, der für die physischen Schwächen der Menschheit ganz unzugänglich war. Sein Herz war indes darum nicht weniger um Fabians Schicksal besorgt, aber es schien wie die Leber des Prometheus jeden Augenblick glühender unter den Bissen des Geiers zu wachsen, der es zerfleischte.
    Die Sonne neigte sich noch nicht merklich gegen den Horizont, als Bois-Rosé mehr aus Mitleid mit Pepe als wegen seiner eigenen Ermüdung am Ufer des Red River, dem sie schon so lange folgten, haltmachte.
    Ihnen gegenüber lag eine von den Inseln mitten im Fluß, mit denen dieser bedeckt ist. Die drei Wanderer bemerkten den Schatten darauf, sahen die bis auf das Wasser herabhängenden Lianen, die sich üppig in das Laub der sich domartig über die Insel wölbenden Bäume mischten, und empfanden dabei nur noch den erhöhten Schmerz von unglücklichen Verhungerten. Es war einer von jenen Zufluchtsorten, von denen der Wanderer in der Steppe träumt, um dort das Feuer zum Mahl anzuzünden und nach befriedigtem Hunger den Schlaf zu genießen, der zuletzt seine Kräfte wiederherstellt. Nach der Handvoll Maismehl, von der die beiden Jäger vor vierundzwanzig Stunden ihren Anteil verzehrt hatten, war dies der zweite Tag auf dem Marsch, den sie fast nüchtern beschlossen. Gayferos war ein wenig durch das karge Mahl gestärkt, das er beim Feuer der Indianer gefunden hatte, und hatte darum noch nicht allen Mut verloren; der Spanier auch noch nicht, aber seine Kräfte empörten sich gegen seinen Willen.
    Bois-Rosé konnte sich nicht verhehlen, daß Pepe in jenen kritischen Zeitpunkt eintrat, wo die Zerstörung einen schrecklichen Vorsprung über das Leben gewinnt, und daß seine kräftige Leibesbeschaffenheit ihn kaum vor einem ähnlichen Schicksal bewahrte. Er machte also, nachdem sie sich ungefähr eine Stunde ausgeruht hatten, den Versuch, mit seinen beiden Gefährten den unterbrochenen Marsch fortzusetzen. Es war vergeblich; aus den leeren Eingeweiden des armen Pepe stiegen blendende Lichtbilder in seinen Kopf und machten seine Augen fast blind, die noch gestern an Schärfe mit denen des Falken wetteiferten.
    »Meine Füße haben keine Kraft mehr«, antwortete der Spanier auf die ermunternde Anrede des Kanadiers; »es scheint sich alles vor meinen Augen im Kreis herum zu drehen. Überall um mich her sehe ich Fische spottend aus dem Fluß springen, Damhirsche stehen vor mir und schauen mich an! Was soll auch«, fügte der Grenzjäger mit einem letzten Blitz seiner spöttischen Lustigkeit hinzu, »ein Jäger ohne Gewehr anderes sein als der Spott der Büffel und der Damhirsche?« Und Pepe streckte sich auf den Sand nieder wie der vom Windhund eingeholte Hase, der seinen Tod erwartet.
    Der Kanadier sah ihn an und unterdrückte einen Seufzer. »Ach«, sagte er mit Bitterkeit, »was ist doch der tatkräftigste Mann dem Hunger gegenüber?«
    »Und der Beweis davon ist«, fuhr der Spanier fort, »daß ich in der Steppe Dinge bemerke, die für dich unsichtbar sind; ich glaube nämlich in der Ferne einen Büffel zu sehen, der auf uns zukommt.«
    Der Kanadier heftete immer noch seinen schwermütigen Blick auf denjenigen, dessen Verstand unter den Angriffen des Hungers schwach zu werden begann. Er sah jedoch, wie Pepes Augen sich starr auf einen Punkt richteten.
    »Nicht wahr, du siehst ihn nicht?«
    Bois-Rosé hielt es nicht der Mühe wert, sich umzuwenden.
    »Nun, ich sehe ihn, diesen verwundeten Büffel, der auf mich zukommt und Wellen von Blut verliert, Wellen hochroten Blutes, viel schöner noch als der schönste Purpur der Abendröte. Es ist, als ob Gott ihn schickte. um mich vom Hungertod zu retten«, fuhr der ehemalige Grenzjäger fort, dessen Augensterne zu funkeln begannen. Plötzlich stieß er eine Art von Gebrüll aus. stand mit einem Sprung auf den Füßen und stürzte schnell wie der Blitz fort.
    Bois-Rosé hatte diese Bewegung Pepes – so plötzlich war sie gewesen! – nicht verhindern können. Entsetzt bei dem Gedanken, daß der frühere Grenzjäger vom Wahnsinn befallen sei, wandte er sich um, ihn mit den Augen zu verfolgen, konnte aber ein Gebrüll wie das des Spaniers nicht zurückhalten.
    Ein ungeheures, seltsames Tier, viel größer noch als der stolzeste gezähmte Stier, sprang in weiten Sätzen mitten durch die Ebene, die es mit seinem Blut rötete. Eine ungeheure schwarze Mähne wallte um seinen Kopf, und darin rollten zwei

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