Der Waldläufer
diejenigen, die er eben hörte.«
»Halt da!« erwiderte Bois-Rosé lebhaft. »Das heißt mir auf artige Weise sagen, daß ich ein Lügner sei, und meine Zunge hat noch niemals zu lügen vermocht – weder aus Furcht noch aus Freundschaft.« Dann fuhr der Kanadier mit erzürnter Stimme fort: »Wer Bois-Rosé der Lügenhaftigkeit anklagt, wird sein Feind; also zurück, Komantsche, und mögen dich meine Augen nicht wiedersehen; die Steppe ist von nun an zu eng für uns beide!«
Der Kanadier ließ bei diesen Worten das Schloß seiner Büchse spielen; aber der Indianer machte, ohne die Fassung zu verlieren, ein Zeichen mit der Hand.
»Rayon-Brûlant«, rief er und schlug stolz mit der Hand auf seine Brust, »suchte längs des Red River den Adler der Schneegebirge und den Spottvogel auf der Spur des Sohnes, den die Apachenhunde ihnen geraubt haben.«
»Den Adler, den Spötter?« rief Bois-Rosé in größtem Erstaunen. »Ach, es ist wahr; ich vergaß ... Aber sagt, mein Junge, sagt«, fuhr lebhaft der alte Jäger fort, »habt Ihr meinen Fabian, den Sohn, den ich suche, gesehen?« Und er warf plötzlich seine Büchse weit von sich und stürzte sich in die Furt des Flusses, die er mit Riesenschritten durchwatete. »Ja, ja, der Adler und der Spötter, das sind wir beide; es sind die Namen, die uns die Apachen gegeben haben; ich hatte sie vergessen«, fuhr er fort und ließ das Wasser von seinen weiten Schritten gepeitscht ringsum aufspritzen. »Wartet, Rayon-Brûlant, ich gehöre Euch wie das Eisen dem Pfeil, wie die Klinge dem Griff... ein Freund ... auf Leben und Tod ...«
Der junge Indianer erwartete lächelnd den Waldläufer, der bald festen Fuß auf dem Ufer faßte und ihm seine breite, ehrliche Hand hinstreckte, in der der Krieger die seinige wie in einem gespaltenen Baumstamm fühlte, der sich über ihr geschlossen hat.
»Ihr seid also«, rief der Kanadier aus, der kaum dem Verlangen widerstand, den jungen Indianer in seinen Armen aufzuheben, »der Feind von Main-Rouge, Sang-Mêlé und von dieser ganzen ... Aber wer hat unsere Namen dem Krieger gesagt, den die Seinigen wohl mit Recht Rayon-Brûlant genannt haben? Denn mein Sohn erscheint schrecklich wie die Feuerzungen, die aus den Wolken hervorbrechen!«
»Vom Presidio von Tubac bis zum Büffelsee, wo die Blume des Sees sich im Wasser spiegelt«, antwortete der Indianer, indem er auf Doña Rosarita anspielte, deren Bild sich wider seinen Willen seinem Kopf eingeprägt hatte; »vom Büffelsee bis zu den Nebelbergen und von den düsteren Hügeln bis zu dem Versteck, das sie hier angelegt haben, ist Rayon-Brûlant den Spuren der Räuber seiner Ehre gefolgt.«
»Ach, diesen Teufeln gewiß ... Doch fahre fort, Rayon-Brûlant!«
»Die Räuber«, fuhr der Indianer fort, »haben kein Geheimnis für ihn gehabt, und nach ihren Reden hat Rayon-Brûlant die beiden weißen Krieger auf der Büffelinsel wiedererkannt. Sind die beiden weißen Krieger so tapfer, wie man erzählt?« schloß er und heftete seine Augen auf den fernen Horizont.
»Warum diese Frage?« antwortete Bois-Rosé mit einem ruhigen Lächeln, das mehr sagte als alle Beteuerungen.
»Darum«, erwiderte der Indianer ruhig, »weil ich von hier aus im Osten den Rauch der Feuer des Schwarzen Falken und seiner dreißig Krieger, im Westen das Feuer der beiden Piraten der Steppe, im Norden die Feuer von zehn Apachen sehe und weil der Komantsche und die beiden Bleichgesichter sich zwischen drei feindlichen Abteilungen befinden.«
»Das ist beim Himmel wahr!« rief der Kanadier aus und befragte mit einem Blick den Komantschen, nachdem er in der Ferne eine leichte Rauchwolke hatte aufsteigen sehen, die eine indianische Lagerstelle bezeichnete.
66 Die Schiffer auf dem Red River
Der junge Komantsche begriff, was der Blick Bois-Rosés bedeuten sollte, als er die Anwesenheit der einen von den drei feindlichen Abteilungen, von denen der erstere gesprochen, bemerkt hatte. »Die Gefahr ist freilich noch fern«, sagte er und zeigte mit dem Finger auf die Abteilung im Osten, wo der Rauch der indianischen Lagerfeuer sich in fast unsichtbaren Schneckenlinien erhob; »der Komantsche wird seinen neuen Freunden auf die Büffelinsel folgen, und dort werden sie das Beratungsfeuer anzünden, um zu entscheiden, was zu tun ist. Gehen wir!«
Der Waldläufer und der Indianer gingen durch die Furt des Flusses, um wieder mit Pepe und dem Gambusino zusammenzutreffen, die mit um so größerer Ungeduld den Erfolg dieser Unterhaltung
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