Der Waldläufer
den Indianer.
»Rayon-Brûlant lauscht dem Geheul des Wolfs der Prophezeiung.«
»Gut, mein Freund; Ihr habt ein feines Ohr, Ihr könnt Euch dessen rühmen. Was verkündet Euch denn das Geheul des kleinen Wolfs der Prärien, der nach meiner Meinung nur seinen Hunger anzeigt?«
»Wenn die Indianer auf der Jagd sind«, antwortete der Komantsche, »folgen ihnen die großen Wölfe der Prärien schweigend, da sie sicher sind, bald ihren Anteil von der Beute zu bekommen; die kleinen Wölfe als die Schwächeren begleiten die Stärkeren heulend, als ob sie ihren Anteil verlangten. Ich habe die Stimme der Prophezeiung im Norden gehört; die Bande des Schwarzen Falken ist im Osten; auf der nördlichen Seite ist also die andere Bande, die unsere Kundschafter nicht gesehen haben, und die Büffel fliehen vor ihr. Mein Vater kann sie hören.«
Ein noch unbestimmbares Getöse klang in der Tat bald aus der Ferne herüber. Der Komantsche nahm nun einen Brand vom Feuer und bediente sich seiner, um die Erde in einiger Entfernung von der Stelle, wo das Feuer angezündet war, zu beleuchten. Ein breiter Streifen Erde war zertreten und zerstampft wie die Bahn eines Zirkus und erstreckte sich vom Fluß ausgehend in die Ebene hinein, so weit nur das Auge reichte.
»Wir sind hier auf einer Büffelfährte!« rief der Indianer aus. »Das ist eine gefährliche Stelle, die wir fliehen müssen! Wir werden kaum noch Zeit dazu haben; eine Herde wird den Spuren, die sie schon zurückgelassen hat, wieder folgen.«
Gebrüll mischte sich bald mit dem dumpfen Dröhnen des Bodens. Rayon-Brûlant sagte einige Worte zu seinen beiden Kriegern, und diese zerstreuten und erstickten schnell das Feuer – mit Ausnahme eines Brandes, den der Häuptling zurückbehielt –; dann trugen die beiden Komantschen, von den Jägern unterstützt, Rayon-Brûlant eiligst das Kanu nach.
Der junge Häuptling wählte als neuen Haltepunkt den Gipfel eines kleinen Hügels, wie sich diese in der Gegend so zahlreich finden. Dort wurde ein anderes Feuer angezündet, an dem die roten Krieger ihre unterbrochene Arbeit des Kalfaterns wiederaufnahmen.
Sie waren kaum bei der Arbeit, als sich der Stelle gegenüber, die sie eben verlassen hatten – und zwar auf der entgegengesetzten Seite des Flusses –, eine lange, breite Kolonne von Büffeln zeigte, die durch die Ebene galoppierte. Man sah, wie sich unter dem unwiderstehlichen Andrang dieser gewaltigen Bewohner der Prärien das Baumwollstaudengebüsch krachend niederbog und wie ein Bündel trockenen Grases auf dem Boden lag. Betäubendes Brüllen mischte sich mit dem tosenden Schnauben der Nüstern der wilden Herde, die das Wasser witterte, durch das sie hindurch mußte; dann brauste das Wasser unter der Flut mähnenumwallter Tiere, und der Fluß überschwemmte seine Ufer, als ob ihn eine plötzliche Flut während der Tagundnachtgleiche hätte anschwellen lassen.
Als ihn die ganze Herde durchschwommen hatte, schäumten seine bewegten Gewässer noch immer und schlugen an die überschwemmten Ufer, während sich bereits der ganze Tumult nach und nach weit in der Ebene verlor.
67 Unbequeme Uferbewohner
Der gigantische Maßstab, nach dem die amerikanische Natur vom Schöpfer gebildet zu sein scheint; ihre fünfzehnhundert Meilen langen Flüsse, die breit sind wie Meere; ihre Seen gleich Ozeanen; ihre ungeheuren Bäume; das baumhohe Gras in den Prärien; ihre riesenhaften Häfen –wie zum Beispiel der von San Francisco, wo sämtliche vereinigten Flotten Europas vor Anker liegen könnten –, weissagt dies alles nicht Amerika einen Grad von Glanz und Macht, der dem, den Europa jemals erreicht hat, überlegen ist? Wir gehören – mit Recht oder Unrecht – zu denen, die daran glauben, wenn es wahr ist, daß die Zukunft, für die immer die Gegenwart Bürgschaft leistet, die kühnen Anstrengungen eines Volkes glorreich krönen muß, das mit jedem Tag sich bestrebt, so groß zu werden wie die Natur, von der es umgeben ist.
In gewissen Perioden strotzen die Flüsse und Gewässer der Prärien bis in die kleinsten Bäche hinein von ungeheuren Salmen, gedrängt wie unsere Herings- und Sardellenbänke; die Gewässer vermögen sie nicht mehr zu fassen und werfen sie aus ihrem Schoß, und hier teilen die in diesen Ebenen umherstreifenden Indianer mit fleischfressenden Tieren der Steppe das Mahl, das ihnen die Vorsehung sendet.
In anderen Zeitabschnitten durchziehen Büffelherden– zahlreich wie die Salme in den Flüssen und von einer
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