Der Waldläufer
Büffelhaut in ihrer Nacktheit sehen ließ, das vollkommene Ebenmaß seines Kopfes und seiner breiten Schultern machten aus dem jungen Renegaten der Apachen ein schönes Muster des menschlichen Geschlechts im Naturzustand. Schaute der junge Krieger in sein eigenes Herz, um dort das Bild der Blume des Sees oder das des Abendsterns wiederzufinden, für den er das Land seiner Väter verlassen hatte? Wir wissen es nicht, und es liegt für den Augenblick wenig daran.
Sosehr er aber auch von seinen Gedanken in Anspruch genommen war, so blieb doch kein Geräusch von ihm unbemerkt, das sich – mit Ausnahme des Rauschens des Kanus am Schilf des Flusses und des Hineintauchens der Ruder ins Wasser – nur von Zeit zu Zeit vernehmen ließ. Indessen folgten seiner unbeweglichen Haltung, die bewies, daß alle diese Töne der Steppe nichts anderes waren, als sie sein mußten, nach und nach einige Bewegungen des Körpers oder des Kopfes, als ob andere Zeichen sich in die Stimmen der Nacht und der Steppe mischten.
Eine Art dumpfen, vom Lufthauch getragenen Brummens, das mitten aus dem Fluß selbst zu kommen schien, bestätigte bald die Ahnung des Komantschen. Er gab seinen beiden Ruderern einen Wink, aufzuhören, und beugte sich über den Körper des Kanadiers, der, als er fühlte, daß man seine Schulter berührte, die Augen öffnete und um sich blickte. Er sah, wie die beiden Indianer ihre Ruder regungslos in der Hand hielten, und vermutete eine noch verborgene Gefahr.
Der Fluß, der da, wo Bois-Rosé eingeschlafen war, durch eine Ebene floß, war hier, wo er aufwachte, zwischen zwei ziemlich hohen Ufern eingeengt.
»Soll ich Pepe rufen?« fragte der Waldläufer.
»Laßt ihn schlafen«, erwiderte der Komantsche; »wir wollen ihn wecken, wenn es nötig ist. Ich habe sagen hören, daß die Kugel des Adlers der Berge niemals ihr Ziel verfehlt.«
»Ja, mein Sohn, das war der Fall mit der Büchse, die ich in meinen Händen habe zerschmettern lassen; mit dieser hier könnte ich, da ich sie noch nicht versucht habe, nicht für den ersten Schuß stehen. Warum habt Ihr mich aber geweckt?«
Ein längeres Brummen, ähnlich dem Brausen eins Blasbalges, ersparte dem Indianer die Antwort.
»Ah«, sagte der Kanadier, »ich frage Euch nicht weiter. Was ist aber am Ende daran gelegen? Laßt uns vorüberfahren, und sofern Ihr noch nicht vom Rudern zu müde seid, laßt mich weiterschlafen.«
»Wir können ohne seine Erlaubnis nicht vorbeikommen. Hinter dieser Krümmung ist der Fluß sehr schmal, und das Tier hält eine kleine Insel mitten in der Strömung besetzt. Was Rayon-Brûlant einmal gesehen hat, vergißt er nicht wieder. Er kennt die geringste Krümmung des Red River.«
Unterdessen war das Boot, sich im Kreis drehend, immer weitergeschwommen, und da es dringend notwendig war, einen Entschluß zu fassen, ehe man sich in den gefährlichen Engpaß hineinwagte, ergriff Bois-Rosé die Ruder und fuhr stromauf.
»In der Tat«, sagte er, während er es unbeweglich festhielt, nachdem er einige Klafter gewonnen hatte, »wir dürfen die Büchsenschüsse in diesen Einöden nicht verschwenden, ohne unsere Feinde, die ganz in unserer Nähe sein können, zu alarmieren. Ein einziger Schuß selbst würde dazu hinreichend sein. Wohlan, Komantsche, ich bin der Meinung, daß wir ohne weitere Umstände alle Eigenliebe beiseite setzen, an Land steigen und das Kanu auf die Schultern nehmen, um mit diesem teuflischen Tier keinen Kampf zu beginnen. Später können wir den Fluß wieder benützen.«
»Die drei Indianer haben eine scharfe Streitaxt und kräftige Arme; die weißen Jäger haben ihre spitzen, schneidenden Messer!« erwiderte Rayon-Brûlant.
»Die Eigenliebe eines jungen Mannes bequemt sich nicht leicht zur Flucht, ich weiß es. Wollt Ihr Euch lieber der Gefahr aussetzen, daß unser Kanu umschlägt – was keine Sache von Bedeutung wäre –, oder wollt Ihr es zerreißen lassen wie eine trockene Kürbisflasche, was nicht wiedergutzumachen wäre? Hört, Rayon-Brûlant, opfert der Liebe eines Vaters, der seinen Sohn sucht, dessen Minuten gezählt sind, die armselige Ruhmsucht eines jungen Mannes; ein Greis mit grauen Haaren und traurigem Herzen bittet Euch darum.«
»Die Blume des Sees«, sagte der Indianer, der die Eindrücke seines jungen Herzens nicht mehr verbergen konnte, »hätte gebebt beim Anblick der Haut des ungeheuren Tieres und hätte dem Krieger zugelächelt, der sie ihr gebracht haben würde; das Herz Rayon-Brûlants würde sich
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