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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Bänder los, die seine Haare schmückten; er tauchte sein Gesicht in das Wasser des Flusses und ließ so die Malereien verschwinden, mit denen er es nach indianischer Sitte verschönert hatte; er zog seinen Jagdkittel von scharlachrotem Tuch aus und legte seine ledernen, mit Schellen geschmückten Gamaschen ab, so daß er von seinem ersten Anzug nur seine bestickten Mokassins beibehielt, wie sie der an den Ufern des Sees bei Don Agustin zurückgebliebene Büffeljäger ebenfalls trug. Endlich zog er aus einer kleinen Reisetasche ein blau und rot kariertes Taschentuch, das er um sein langes, wallendes Haar band, Beinkleider von dunkler Leinwand und eine kattunene Jacke, womit er sich wieder bekleidete; und als er nun mit Ausnahme eines breitgeränderten mexikanischen Hutes – fast den Anzug eines Weißen angelegt hatte, warf er seine Büchse über die Schulter und wandte sich zum Büffelsee.
    Es war der siebente Tag nach seinem Aufbruch von demselben Ort, wo Don Agustin kaum angekommen war, als er ihn verlassen hatte; und Sang-Mêlé wußte recht gut, daß die letzten Vorbereitungen zu einer Jagd auf wilde Pferde – deren Herantreiben und die zu einer Bändigung durch Hunger und zur Zähmung durch andere Pferde nötige Zeit – den Jägern etwa zehn Tage weggenommen hatten. Als er demnach die Entfernung berechnete, die ihn vom See, wo sich die Mexikaner gelagert hatten, trennte, wurde er sicher, daß er sie noch dort antreffen würde. Nachdem er so die Ebene durchwandert hatte und einige Augenblicke im Wald gegangen war, schlugen das Wiehern von Pferden und ein verwirrter Lärm von menschlichen Stimmen an sein Ohr; der Mestize empfand darüber nur eine sehr lebhafte Freude ohne die geringste Mischung von Erstaunen.
    Bisher war sein Marsch vorsichtig und krumm gewesen wie der Gang einer wilden Katze, nun aber nahm er eine freiere Haltung an. Er warf seine Büchse am Riemen über die Schulter, näherte sich, ohne weiter seine Ankunft verheimlichen zu wollen, mit festem Schritt und pfeifend wie ein müßiger Jäger dem Ort, wo sich der Lärm hören ließ. Da niemand seine Annäherung bemerkt hatte, so konnte er doch – als er eine Lichtung im Wald erreichte, von wo er, ohne gesehen zu werden, alles überblicken konnte – dem Verlangen nicht widerstehen, das, was unter seinen Augen vorging, genauer zu betrachten.
    Plötzlich verdunkelte eine Wolke heftigen Unmuts das düstere Antlitz des Mestizen. Ein halbes Dutzend Pferde standen gesattelt; drei von ihnen waren reich aufgezäumt, Verzierungen von gediegenem Silber, Samt und goldene und seidene Stickereien waren so zahlreich angebracht, daß man wohl schließen konnte, sie gehörten den Herrschaften. Alles schien die Vorbereitungen zur bevorstehenden Abreise anzudeuten.
    Das Gesicht des Mestizen wurde aber bald wieder heiter. Das seidene Zelt Doña Rosaritas und das des Hacenderos standen immer noch aufrecht; die Lasttiere weideten ruhig in einiger Entfernung, und die Flaschenfutter zur Reise, die Packsättel und alles Gepäck waren sorgfältig nicht weit von den Zelten geordnet. Der Weiße wollte also wahrscheinlich nur auf einem Ausflug in die Umgebung an den Ufern des Flusses oder bei einer Hirschjagd Zerstreuung suchen. In der Tat erschien auch bald Rosarita, von ihrem Vater gerufen, der, gestiefelt und gespornt, bereit war, aufs Pferd zu steigen. Auf der Schwelle ihres kleinen Zeltes war sie noch verführerischer, als der Mestize sie sich in seinen Erinnerungen während der eben verflossenen Woche vorgestellt hatte. Das kam daher, weil sich mit den schönen Zügen des jungen Mädchens noch jene unbeschreibliche Harmonie verband, die sich dem Gedächtnis nur unvollständig eingeprägt und die jenen lieblichen Wohlgerüchen gleicht, die man mit Wollust einatmet, deren köstlichen Duft man aber nicht festzuhalten vermag. Es ist jene unfaßbare Schönheit, die zwar überall hervorleuchtet und gewisse Gesichter rings umstrahlt, die aber der Pinsel nicht wiederzugeben vermag, weil sie immer neu ist. Diese Ohnmacht des Pinsels, jenen magnetischen Reiz wiederzugeben, macht es auch erklärlich, wie wir vor den Porträts gewisser durch ihre Schönheit berühmter Frauen kalt bleiben, weil der Maler trotz seiner Geschicklichkeit wohl die Formen und die Farbe der Blume der Nachwelt hat überliefern können, nicht aber, wie sie auf ihrem Stengel erbebte und Wohlgerüche ausströmte.
    Die wilden Augen des Mestizen, die nur indianische Schönheiten zu sehen gewohnt waren,

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