Der Waldläufer
gefesselt und bestimmt, eines schrecklichen Todes zu sterben; eine furchtbare Gefahr drohte ihr selbst – und Rosarita lächelte immer noch ihren Gedanken zu.
In dem Augenblick, als der Zug endlich vom Fußpfad an die Ufer des Flusses gelangte, schienen seine breiten Gewässer den Reitern so tief zu sein, daß ihnen der Gedanke kam, Encinas hätte sich vielleicht geirrt, wenn er versicherte, sie müßten in einiger Entfernung eine Furt finden, um über den Fluß zu setzen.
Als Don Agustin und der Senator sich über diesen Punkt berieten, rief der erstere aus: »Gott verzeihe mir! Diese Ufer, die ich so verlassen glaubte, sind bewohnt; ich sehe einen Menschen dort unten!«
»Ein Weißer wie wir«, sagte Rosarita, die von der Stimme ihres Vaters aus ihren Gedanken aufgeschreckt worden war; »Gott sei gelobt!«
»Es ist ein Weißer, wenn man es aus seinem Anzug schließen darf.«
Don Agustin gab ohne Mißtrauen Francisco den Befehl, hinzureiten und diesen Mann über die Lage der Furt zu befragen; ohne Mißtrauen, haben wir gesagt – und in der Tat: Welches Mißtrauen hätte wohl eine einzelne Person wie diese hier erregen können, die sich friedlich an den Ufern eines öden Flusses damit beschäftigte, Steine auf dem Wasser springen zu lassen?
Als der Diener zu ihm kam, ohne daß der in Rede stehende Mann, der ein kariertes Taschentuch um den Kopf gewickelt trug, seine Gegenwart zu bemerken schien, noch auch seine Belustigungen aussetzte, befragte er ihn. Was er antwortete, gelangte nicht bis zu den Ohren der wartenden Männer. Sie sahen nur, wie der Unbekannte sich ihnen mit baumelnden Armen, linkischem Gang und teilnahmslosen Augen näherte.
»Verzeihung, Señor«, sagte er, und wandte sich mit einem stark ausgeprägten englischen Akzent an Don Agustin, »aber ein einsamer Trapper muß wissen, an wen er sich in diesen Steppen wendet. Ihr fragt also nach der Furt des Red River?«
»Ja, mein Freund«, erwiderte der Hacendero und prüfte mit Kennerblicken den seltsamen Ausdruck im Gesicht des Unbekannten.
Aber dieses verlor unter dem mißtrauischen Blick Don Agustins nichts von seiner Miene gleichgültiger Gutmütigkeit. »Wäre es etwa, um zum Biberteich zu gehen?«
»Ganz recht«, antwortete der Senator; »diese junge Dame wünscht das seltsame Schauspiel zu sehen.« »Hm«, murmelte der Unbekannte, »ich habe meine Fallen dort aufgestellt; die Fallen eines armen Jägers sind sein Leben und sein Vermögen. Am Ende jedoch«, fügte er hinzu, »wenn Euer Gnaden einfach nur sehen wollen, werde ich Euch unter einer Bedingung hinführen.«
Der Hacendero blickte immer noch den amerikanischen Trapper fest an; sein Gesicht schien ihm nicht unbekannt.
»Ihr habt ohne Zweifel noch keinen Trapper gesehen«, sagte der Biberjäger mit Gelächter in guter Laune, »und darum seht Ihr mich so aufmerksam an. Was den Biberteich anlangt, so will ich Euch hinführen, wenn Ihr mir versprecht, nur zu sehen und kein Gewehr abzufeuern. Die Furt ist links auf dieser Seite.«
»Auf der linken Seite?« unterbrach ihn Don Agustin. »Man hatte sie uns auf der entgegengesetzten Seite bezeichnet.«
»Irgendein Prahler ohne Zweifel, wie es deren so viele gibt, die sich einbilden, die Gegenden, die sie nicht gesehen haben, besser zu kennen als diejenigen, die sie oft besuchen. Wenn übrigens Euer Gnaden einen Versuch machen wollen, eine andere Furt als die einzige, die sich hier befindet, zu entdecken, so steht es Euch frei ... Ich bin Euer gehorsamster Diener.« Und der Unbekannte nahm mit vollständiger Gleichgültigkeit sein unschuldiges Vergnügen wieder auf, Steine auf die Oberfläche des Flusses zu werfen, ohne sich weiter mit den Reitern zu beschäftigen.
»Encinas wird sich geirrt haben«, sagte der Senator zu Don Agustin. »Heda, mein Freund!« rief er auf einen Wink des Hacenderos dem Trapper zu. »Wir treten Eurer Ansicht bei und wollen Euch folgen!« »Ihr tut sehr wohl daran«, sagte der Unbekannte und folgte aufmerksam mit den Augen dem vierten Sprung, den der letzte von ihm geworfene Stein eben auf dem Wasser machte; »ich stehe zu euren Diensten. Hierher!« begann er wieder, als der von seinem kräftigen Arm geworfene Stein zischend im Fluß verschwunden war.
Der Trapper nahm nun seinen linkischen, aber raschen Schritt wieder an und ging den Fluß stromauf anstatt abwärts, wie es der Büffeljäger in seinen Anweisungen empfohlen hatte. Die Reiter folgten ihm.
»Habt Ihr nicht irgendwo dieses Gesicht gesehen?«
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