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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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wütenden Angriff hätten ausführen wollen, im Galopp vorwärts, indem sie ein ohrenzerreißendes Geheul ausstießen; dann öffnete sich der Zug, beschrieb in vollem Lauf einen raschen Kreis um Sang-Mêlé und seine Indianer, und in einem Augenblick wurde jedes Pferd plötzlich angehalten und stand unbeweglich auf seinen zitternden Sprungfesseln.
    Ein tiefes Schweigen war dem Getümmel gefolgt. Der Mestize hatte noch seinen falschen Anzug an und erwartete aufrecht und ohne einen Schritt vorwärts zu tun, die Ankunft des Häuptlings.
    Dieser saß, obgleich sein Gesicht noch durch den Schmerz von seiner frischen Wunde zusammengezogen war, gerade und fest auf seinem Pferd. Er näherte sich dem Mestizen, den er trotz seiner Verkleidung sogleich wiedererkannte und streckte dem Sohn von Main-Rouge mit einer Miene ruhiger und stolzer Majestät die Hand entgegen.
    »Der Indianer, der Sohn eines Weißen, erwartete seine Verbündeten«, sagte der Mestize.
    »Ist es nicht heute die dritte Sonne?« erwiderte der Schwarze Falke. »El Mestizo hat seine Zeit genützt.« Er zeigte mit dem Finger auf die Gefangenen.
    »Diese hier sind nicht die einzigen; dort ist noch einer von den Weißen: der Sohn des Adlers der Schneegebirge.«
    »Und der Spottvogel und der Adler? Was ist aus ihnen geworden? Ich hatte meinem Bruder elf Krieger anvertraut; was hat er damit gemacht?« fragte der indianische Häuptling in strengem Ton, nachdem er die erste freudige Bewegung, die ihm die Gefangennahme Fabians verursachte, unterdrückt hatte.
    »Neun sind tot«, antwortete der Mestize. »Warum aber zieht der Häuptling die Augenbrauen zusammen? Er hat einen Tag und eine Nacht hindurch die drei Weißen auf der Insel des Rio Gila belagert; was hat er mit seinen Kriegern gemacht, die die Fische des Flusses verzehrt haben? Der Arm des Falken ist für lange Zeit gelähmt. El Mestizo hat in zwölf Stunden den jungen Krieger aus dem Süden gefangengenommen; er hat den Adler und den Spottvogel entwaffnet, so daß Büffel, Damhirsche und indianische Kinder jetzt ihrer spotten.«
    »Der Adler und der Spottvogel sind auf unserer Spur; sie haben neue Waffen und haben ihren Weg mit neuen Leichen unserer Krieger besät.«
    Der Häuptling erzählte dem Mestizen, was dieser noch nicht wußte: die Kämpfe, die er seit seinem Aufbruch aus dem mexikanischen Lager bestanden hatte; und diese Erzählung entriß dem Mestizen mehr als einmal ein Zähneknirschen.
    Der Schwarze Falke und Sang-Mêlé schwiegen jedoch, als die Erzählung beendet war, unter dem Eindruck gegenseitigen Mißvergnügens. Vielleicht hätte sich diese Zusammenkunft schnell in eine feindliche verwandelt, wären nicht sechs andere Krieger angekommen; es waren die der Schar von Antilope, die dem Blutbad am Engpaß entronnen waren, wobei der Läufer selbst sein Leben gelassen hatte.
    Nun wandte sich die ganze Wut der Indianer gegen Fabian: dies war der natürliche Ausweg, den sie finden mußte.
    »Wo befindet sich der Sohn des Adlers?« rief der Schwarze Falke.
    »Dort unten«, erwiderte der Mestize, indem er auf das Dickicht am anderen Ufer deutete, wo Main-Rouge seinen Gefangenen bewachte.
    »Er muß sterben!« sagte der Häuptling.
    Ein Freudengeheul folgte diesem kurzen und schrecklichen Urteilsspruch.
    Als es aufgehört hatte, nahm der Mestize abermals das Wort. »Rayon-Brûlant«, sagte er, »ist ebenfalls auf unserer Spur; dieses weiße Mädchen hier zieht ihn zum Büffelsee. Aber er wird sie nicht wiederfinden; El Mestizo führt sie in seine Hütte, während der Schwarze Falke sich einer Herde von mehr als hundert Pferden bemächtigen wird, die sich im Pfahlwerk der Weißen eingeschlossen befinden. El Mestizo überläßt seinen Anteil dem Häuptling der Apachen; die Taube des Sees ist kostbarer für ihn als alle wilden Pferde der Prärien.« Die ruhige Unverschämtheit, die bei dem Mestizen aus dem Bewußtsein seiner Kraft, seiner Geschicklichkeit und seiner unzähmbaren Kühnheit entsprang und mit der er sich jetzt seines Versprechens gegen den Schwarzen Falken entband, sobald dieser ihm nicht weiter nützlich sein konnte, brachte bei dem indianischen Häuptling eine Bewegung der Wut hervor. Er fühlte jedoch, daß seine Wunde an der Schulter ihn einesteils seiner Hilfsmittel beraubte und daß außerdem die Büchsen von Main-Rouge und Sang-Mêlé unter allen Umständen mächtige Bundesgenossen waren.
    Der Schwarze Falke verbarg also seinen Zorn wie ehemals die Könige, wenn sie gezwungen waren, in

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