Der Waldläufer
und diejenigen, die seit zwei Tagen und zwei Nächten seiner Spur folgten, würden nur noch seinen Tod zu rächen gehabt haben.
Eine Handvoll trockenen Grases hatte einige abgestorbene Weidenzweige angezündet, und die von den Indianern herbeigetragenen Reisigbündel hatten die Glut vollends entflammt. Die schrecklichen Vorbereitungen zur Todesmarter waren nun beendet; am Horizont herrschte immer noch dasselbe Schweigen, dieselbe Regungslosigkeit – ausgenommen, daß die Brachschnepfe im schnellsten Flug über die Lagunen hinschwebte und der gedämpfte Schall des durch die Biber gepeitschten Wassers, die in ihre fernen Sümpfe tauchten, herüberklang.
»Ist der Augenblick jetzt gekommen?« fragte der Mestize den Schwarzen Falken.
»Meine Krieger warten nur noch auf den indianischen Gefangenen.«
»Es soll nach dem Willen meines Bruders geschehen.«
Der Mestize gab den Befehl, die Piroge ins Wasser zu lassen, um den Gefangenen und seine beiden Wächter herüberzuholen.
»Ah, das trifft sich wahrhaftig glücklich!« rief der alte Main-Rouge auf der anderen Seite des Flusses, von wo aus er die Vorbereitungen zu dem indianischen Schauspiel gesehen hatte, und zeigte seine hohe Gestalt über den Gesträuchen. »Es fing schon an, mich schrecklich zu langweilen, den Wachhund zu spielen.« Der alte Renegat sprach diese Worte mit einem Gähnen der Langeweile und streckte seine mageren Glieder aus. »Auf, mein Tapferer«, sagte er, sich bückend; »du mußt aller dieser langweiligen Vorbereitungen doch bei allen Teufeln der Hölle ebenso müde sein wie ich!«
Einen Augenblick nachher sah man Fabians Körper, von den kräftigen Armen des Amerikaners aufgehoben, sich ebenfalls über das Gesträuch emporrichten.
»Steh fest da ... so ist es gut«, sagte der unbarmherzige alte Mann, während der Gefangene, dessen Glieder von den Banden starr geworden waren, eine Anstrengung machte, um sein Gleichgewicht zu erhalten und gerade und fest zu stehen wie ein Krieger, der eifrig darauf bedacht ist, den letzten Augenblick stehend zu erwarten. »Wenn du jetzt«, fuhr der alte Pirat fort, »irgend etwas singen willst, um dich zu zerstreuen, so steht es dir frei!«
Das bleiche Antlitz Fabians, dessen Augen noch blitzten, ohne daß die Nähe eines schrecklichen Todes ihren Glanz ausgelöscht hätten, zeigte sich nur einen Augenblick hindurch. Der Körper des Gefangenen schwankte auf seinen angeschwollenen Beinen, und da seine Arme ihn nicht unterstützen konnten, so knickte er zusammen und fiel wieder hinter die Gesträuche. »Bindet mir die Arme los«, sagte er zu Main-Rouge mit fester Stimme. »Was habt Ihr zu fürchten?«
»Nicht gerade viel. Es kommt darauf nicht an; man wird Euch darum bald kein Stück weniger vom Körper abreißen!«
Der Renegat durchschnitt den Knoten der Riemen, die seine Arme gefesselt hielten, und Fabian konnte sich erheben und aufrecht stehen. Eine letzte Hoffnung, ein letzter Gedanke schien ihn aufzuregen; viel mehr jedoch ein Gedanke als ein Schein von Hoffnung, denn seine Augen warfen nur einen Blick auf den Horizont, um die immer noch bis in die Ferne schweigende Steppe zu befragen, und richteten bald ihre ganze Aufmerksamkeit auf das gegenüberliegende Ufer, von wo der Angstschrei, auf den er geantwortet hatte, seine Ohren getroffen hatte.
Aber das dichte Gras entzog seinem Blick die Gruppe der Gefangenen, unter denen der Senator und der Hacendero sich schaudernd fragten, wer der unglückliche Weiße sein könnte, dessen Todesmarter vorbereitet wurde. Ihrerseits konnten die beiden Gefangenen Fabian ebensowenig durch die Flut von Gras bemerken, die ihre Blicke aufhielt.
Endlich war die Piroge im Wasser; zwei Indianer legten ihre Ruder darin zurecht – als ein schreckliches Geschrei wie das, das Achilles hören ließ, als er aus dem Zelt stürzte, um den Tod des Patroklus zu rächen, die Luft mit furchtbaren Schwingungen durchzitterte.
Dieser Schrei hatte sich von der Seite des Biberteichs her erhoben; die Indianer konnten ihn nicht hören, ohne zu erbeben, und Fabian fühlte instinktmäßig, daß diese Laute von Freunden herrührten. Die Luft erzitterte noch unter ihrem Klang, als ein zweiter Schrei aus den gewaltigen Lungen des Waldläufers erscholl und den ersten übertönte und die Stimme des ehemaligen Grenzjägers ebenfalls heulend den Widerhall weckte. Diese beiden Stimmen hatten Fabian seinen Namen wie eine Schranke zwischen dem Tod und ihm zugerufen, und Fabian antwortete darauf, ohne zu
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