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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Bewegungen mit eifrigster Zärtlichkeit folgte, konnte die Ursache dieses Mißbehagens nicht entgehen. Der Waldläufer schien zwar ebenso wie Pepe ganz damit beschäftigt, die Büchse von Main-Rouge, deren er sich durch das Recht der Eroberung wie der spanische Jäger der des Mestizen bemächtigt hatte, Stück für Stück auseinanderzunehmen und zu putzen, er verlor dabei aber Fabian nicht aus den Augen. Dieser stand leise von seinem Platz auf, als ob er seine so lange Zeit hindurch untätigen Gliedmaßen wieder geschmeidig machen wollte, entfernte sich aber unmerklich aus dem Kreis seiner Freunde und wandte sich, nachdem er einen Blick auf den Komantschen, seinen unbewußten Nebenbuhler, geworfen hatte, zu den Biberhütten.
    Fabian suchte die Spuren derjenigen wiederzufinden, mit der er einen Augenblick lang die Gefangenschaft geteilt hatte; vielleicht hoffte er mitten in dem blutbesudelten Gras unter den Eindrücken der Füße, die der erbitterte Kampf tief in den feuchten Boden geprägt hatte, die Spuren der leichteren Füße Rosaritas zu unterscheiden. Obgleich jedoch in der Hütte, in die die Tochter Don Agustins gebracht worden war, ihr Haar den Staub hatte kehren müssen, so hatten doch an deren Eingang die Füße ihrer Räuber allein Spuren zurückgelassen, die sich mit denen des Pferdes, das sie fortgetragen hatte, mischten. Nur in der Phantasie vermochte Fabian in Ermangelung jeder wirklichen Spur die Erscheinung Doña Rosaritas wieder hervorzuzaubern, deren wallendes Kleid er einen einzigen Augenblick halb gesehen hatte und die dann ebenso schnell verschwunden war wie die süßen Bilder eines Traums beim Erwachen.
    Fabian hatte den Kopf auf die Erde geneigt und war in die schwermütige Betrachtung eines Ortes, der alle seine teuersten Erinnerungen wieder ins Leben rief, so versunken, daß er nicht bemerkte, wie der Kanadier hinter ihm stand.
    »Suchst du auch nach dem indianischen Kraut?« sagte eine Stimme in Fabians Ohr, die ihn durch die plötzliche Erinnerung an die Wirklichkeit erbeben ließ.
    Er wandte sich lebhaft um und sah den Waldläufer an seiner Seite, auf dessen Lippen ein Lächeln spielte, das nicht frei von Traurigkeit war. »Nein«, antwortete der junge Mann errötend, »ich suchte mich zu erinnern; und doch würde ich vielleicht besser daran tun, zu vergessen.«
    »Das sagte ich mir gerade auch, Fabian, als ich mich auf dem Meer und im Wald immer des kleinen Knaben erinnerte, den ich verloren hatte; aber ich habe mich immer wieder erinnern müssen und niemals vergessen können; Gott hat mich für meine Standhaftigkeit belohnt. Es gibt Dinge, die das Herz nicht aus seiner Erinnerung der Vergangenheit zu streichen vermag, wie es der Wanderer auf seinem Weg tun kann, der eine zu schwer gewordene Last zurückläßt.«
    In Bois-Rosés Worten lag ein Sinn, den Fabian nicht erkannte. War es eine Ermutigung? War es ein versteckter Vorwurf? Ahnte der Kanadier die Wahrheit, und hatte er sich darein ergeben, um die zweite Stelle in seinem Herzen einzunehmen?
    Fabian konnte sich nicht darüber klarwerden; aber der klagende Abendwind, der auf seinen Flügeln die Seufzer der auf dem Schlachtfeld Sterbenden davonzutragen schien, flüsterte nicht trauriger auf der Oberfläche des Teichs als die Stimme des alten Jägers, da er Fabian anredete.
    »Es ist noch Tag«, begann Bois-Rosé wieder nach kurzem Schweigen. »Willst du, so wollen wir zusammen zum Büffelsee gehen. Vielleicht ... finden wir dort ...« Der Waldläufer beendete seine Rede nicht, aber diesmal hatte ihn Fabian verstanden, und ohne den schmerzlichen Schatten zu sehen – in diesem Alter ist man zu entschuldigen –, der plötzlich die Augen seines Adoptivvaters verdunkelte, rief er lebhaft: »Vorwärts!«
    Der ungeduldige junge Mann und der alte Kanadier, der einen Seufzer unterdrückte, machten sich auf den Weg.
    Die Sonne begann hinter den Bergen zu versinken, deren hohe Spitzen in goldenem Licht glänzten, als sie beide durch den Hohlweg in die Ebene traten. Das lange Gras, das sie bedeckte, wogte hin und her, während alles im tiefsten Schweigen dalag, und nichts hätte an den Kampf des Morgens erinnert, wenn nicht lange, in der riesenhaften Vegetation des Tales entstandene Lichtungen in den Lücken und mitten unter zertretenen Halmen hier den Leichnam eines Indianers, dort den eines Pferdes, weiterhin die Leichen von Reitern und Pferden nebeneinander hätte erblicken lassen.
    Die beiden Reisegefährten marschierten schweigend weiter,

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